Zuletzt aktualisiert am 3. Januar 2024 um 14:08
Abrakadabra: Durch einen klassizistischen Hinterhof an der Oranienburger Straße, hinein in die Tadshikische Teestube, und wir sind in Zentralasien. Die orientalische Einrichtung war einst ein Geschenk der Sowjetunion an die DDR. Heute werden in dem märchenhaften Raum internationale Teetraditionen zelebriert – zum Beispiel im russischen Stil mit Samowar.
Ein Hauch von Zentralasien mitten in Mitte
“Nein,” sage ich in dem Moment, in dem meine Freundin “ja” sagt. Die Frage lautete, ob wir unsere russische Teezeremonie inklusive Wodka wollten. Zum Glück bin ich anpassungsfähig. Zwar konnte ich bis heute auch mit Hilfe diverser Teebücher und eingehender Internetrecherchen nicht klarstellen, ob die Russen wirklich Wodka zum Tee trinken, aber immerhin trinken sie viel Wodka und viel Tee. Die Kombi hat zweifellos russisches Flair, und um das geht es uns hier in der Tadshikischen Teestube, einer orientalischen Oase mitten in Mitte.
Die Story des Etablissements ist bemerkenswert: 1974 wurde die Einrichtung der Teestube mit handgeschnitzten Holzsäulen, leuchtend bunten Sitzkissen und niedrigen Tischen im sowjetischen Pavillon auf der Leipziger Messe ausgestellt, später bekam die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft in Berlin sie geschenkt. Seither hat die Tadshikische Teestube einiges überdauert an historischen Veränderungen, aber sie hat sich wunderbar gehalten und stellt nach knapp 50 Jahren in einem zusehends teebegeisterten Berlin einen ziemlich einzigartigen Ort dar. Wo findet man in der westlichen Welt schon einen zentralasiatische Teestube mit authentischem Interieur? Vermutlich sind derartige Einrichtungen selbst in Zentralasien nicht mehr an der Tagesordnung.
Russischer Tee aus dem Samowar
Serviert wird Tee, was sich in einer Teestube natürlich unbedingt gehört – und im übrigen nicht nur dort. Dank Lewis Carroll und seiner Alice wissen wir, dass Tee in Wunderländern allgemein das bevorzugte Getränk ist. Dass wir uns in einem Wunderland befinden, ist uns inmitten der Farben und Muster dieses östlichen Kleinods pausenlos bewusst. Der Wodka ist dem Wunderland-Feeling dabei durchaus zuträglich.
Wir haben uns für das entschieden, was auf der Karte als “russische Teezeremonie” angeboten wird (und zwar für den unglaublich demokratischen Preis von 8,80 Euro pro Person ). Wenn man die wählt, bekommt man den Tee im Samowar, womit ein langgehegter Wunsch von mir in Erfüllung geht. Nicht mal in Sankt Petersburg ist es uns gelungen, Tee aus dem Samowar zu trinken. Das große Gefäß mit dem heißen Wasser ist so opulent in Gold und glänzenden Farben verziert, wie man es sich nur wünschen kann. Obendrauf steht eine ebenfalls prächtige Kanne mit dem konzentrierten Teesud. Von dem gießen wir ein wenig in unsere Glastassen, dann füllen wir die bittere Essenz unter dem Hahn des Samowars mit heißem Wasser auf. Das macht Spaß und entpuppt sich als entspannende kleine Aktivität während dieser Teatime.
Die Tadshikische Teestube Berlin als Weltreise-Vehikel
In Russland, so habe ich gelesen, nimmt man traditionellerweise gern ein Stück Zucker in den Mund, um den bitteren Tee hindurchzuschlürfen. Entsprechende Zuckerwürfel stehen hier bereit. Ebenso wie andere sehr süße Dinge: Fondantkonfekt, den meine Freundin aus ihrer rumänischen Kindheit kennt, Zitronat, viele Kekse. Außerdem Konfitüre und Rumrosinen, die man in den Tee rühren kann – oder einfach löffeln. Ein Fest, auch optisch. Aromatisch scheint es hier vor allem um den Kontrast von Süß und Bitter zu gehen.
Extrem herrlich, das Ganze. Ein perfektes Reiseerlebnis, für das man sich nicht zu deplazieren braucht – klimafreundlich und coronakonform. Die Speisekarte transportiert die Gäste der Tadshikischen Teestube nicht nur nach Russland. Es werden auch englische und ostfriesische Teatimes angeboten; ebenso wie ein Beduinentee und irisch oder kanadisch inspirierte Kreationen. Außerdem gibt es warme russische Gerichte. Bei schönem Wetter kann man das alles auch draußen genießen, umgeben vom klassizistischen Gebäudeensemble des heute so genannten Kunsthofs an der Oranienburger Straße 27. Dort sitzt es sich sehr angenehm und sehr berlinerisch. Aber fürs tadschikische Wunderland-Ambiente muss man nach drinnen gehen. Das lohnt sich auch bei Traumwetter.
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