Zuletzt aktualisiert am 4. Mai 2017 um 11:41

Familienblogs gibt’s zuhauf; Reiseblogs ebenso. Familienreiseblogs sind schon seltener, doch auch davon finden sich einige – und einige sehr lesenswerte – im Netz. Aber ein Familienreiseblog mit Schwerpunkt Kultur? Das ist schon eine ziemlich enge Nische, der ich hartnäckig treu bleibe. Zeit für eine kleine Nabelschau.

Übergewichtige Fische

Nischen sind ja an sich etwas Gutes. “Lieber ein großer Fisch in einem kleinen Teich als ein kleiner Fisch in einem großen Teich”, sagen Marketingexperten. Ich fühle mich mit Kind am Tellerrand manchmal wie ein übergewichtiger Fisch in einem platzsparenden Goldfischglas. Aber an diesem Goldfischglas hänge ich mit ganzer Seele. Fischseele, Bloggerseele, was auch immer. Also schreibe ich von dem, was mich immer wieder aufs Neue in Begeisterung versetzt: Oh! Schon wieder eine tolle Ausstellung, die auch Kindern etwas sagen könnte! Hach, ein traumhaftes Reiseziel, bei dem wir Kulturgenuss mit anderen Vergnügungen verbinden können – oder, am allerbesten: bei dem Kulturgenuss und Vergnügen eins sind. Und dann Bücher: Bilderbücher, die für sich genommen kleine Kunstwerke sind, Kinderbücher übers Reisen oder, das ist so eine Spezial-Nischennische von mir, Kinder- und Jugendromane, in denen es um spannende Reiseziele wie Paris, Island, New York geht – weil man mit denen ein noch viel runderes Reiseerlebnis hat. Finde ich.

Esskultur mit Kindern

Ob Hochkultur oder Esskultur: Auch Sunday Roast im Londoner Pub erweitert den Horizont

Zielgruppe?

“Schreibst du nicht eigentlich vor allem, was dich interessiert, ohne dich zu fragen, was die Leute lesen wollen?” So die Standardfrage meines Mannes, wenn ich mich über zu geringe Klickzahlen beklage. Naja, sage ich, ich schreibe für solche Leute wie uns, Reisefans und Kulturinteressierte mit Kindern, davon gibt’s doch genug – schau mal, wie viele wir schon persönlich kennen! Zugegeben, das ist wahrscheinlich nicht das, was man unter Zielgruppenanalyse versteht. “Ich mach das ja nicht, um Geld zu verdienen”, stelle ich klar. “Dann beschwer dich nicht”, meint mein Mann.

Ich beschwere mich auch immer nur kurz, denn jedes Mal, wenn ich mich frage, ob es nicht Quatsch ist, eine Menge Zeit und Herzblut in diesen Nischenblog zu investieren, wird mein Gegrübel ziemlich schnell unterbrochen – meistens, weil ich auf ein Thema stoße, das mich elektrisiert und das ich unbedingt verbloggen will. In diesen Momenten frage ich nicht: “Wer will das lesen?”, sondern ich denke: “Das ist fantastisch, darüber muss ich etwas schreiben.” Ob meine Nischenthemen aber tatsächlich von den Menschen gefunden werden, deren Interessen zu der Nische passen? Eine offene Frage. Ich werde in nächster Zeit ein bisschen hinzuzulernen versuchen zu Themen wie SEO, aber die schmale Nische ist mir lieb und teuer.

Lieblingsnische

Die kleine Ecke fühlt sich immer sympathischer an. Sie ist ein wenig zu einem mentalen Zuhause für mich geworden. Außerdem hat sie mittlerweile ein gewisses Eigenleben entwickelt und führt immer wieder zu inspirierenden Vernetzungen und Kontakten – herzliche Grüße an alle virtuellen Bekanntschaften, die ich in den letzten Jahren gemacht habe!

Bei alledem bin ich nicht völlig frei von Missionsbedürfnis, so unsympathisch dieses Wort auch klingt. In diversen Bekennerbeiträgen auf diesem Blog habe ich zu erklären versucht, warum ich es wertvoll finde, mit Kindern zu reisen und ihnen einen gewissen kulturellen Horizont zu eröffnen. Der Beitrag “Kunst mit Kindern – muss das sein?” hat es dereinst ins Rivva-Ranking geschafft und gehört seither beständig zu den Top Three unter meinen meistgelesenen Artikeln – da war richtig was los hier in der Nische.

Mies van der Rohe: Barcelona-Pavillon

Spiel mit Sichtachsen: Tochter in Mies van der Rohes Barcelona-Pavillon

Stressfreie Kulturerlebnisse mit Kindern

Ein Blick nach Westen zeigt: In Frankreich ist der Teich, in dem Kind am Tellerrand sich tummelt, erheblich größer als bei uns. Kultur gehört dort schlicht und ergreifend dazu – auch zum Familienleben. Ich behaupte nicht, dass man damit bessere Menschen großzieht, aber anders als eine große Zahl von Eltern in Deutschland glaube ich auch nicht, dass man Kindern damit zu viel zumutet. Oder aber sich selbst, weil es so anstrengend ist, mit Kindern ins Museum zu gehen. Dem kann ich von ganzen Herzen widersprechen, und im Grunde ist dies eines meiner Hauptanliegen: zu zeigen, dass Kulturerlebnisse – auf Reisen oder im Museum – nicht anstrengend sein müssen.

How to… Vom Nutzwertwunsch dieses Blogs

Deshalb gebe ich gerne Tipps zu aktuellen Ausstellungen, die sich für Familien mit Kindern eignen. Erzähle von Museumsentdeckungen und Kunst-Fundstücken, die generationenübergreifend funktionieren. Reiseerlebnisse hängen für mich ganz eng mit solchen Kulturerlebnissen zusammen. Natürlich hat das Reisen viele herrliche Seiten. Auf diesem Blog allerdings geht es mir vor allem um die vielen Möglichkeiten, andere Gegenden zusammen mit Kindern so zu entdecken, dass sie ein bisschen Verständnis entwickeln können für die dortige Kultur. Gemeinsam mit ihren Eltern, die – zumindest in unserem Fall – viele Ziele vorher auch noch nie bereist haben. Dabei beschränkt sich Kultur natürlich nicht auf Denkmäler und Museen; Kultur ist fast alles. Mentalität, Essen, Kleidung, Umgangsformen, Alltagsdesign, Konsumverhalten. Selbst die Natur spielt für uns als Kulturfans in dieses Thema hinein: Wie hat sie den Alltag der Menschen geprägt, wie gehen die Leute mit den Naturgegebenheiten um?

Islandpullover

Like the locals: Kaum eine Woche in Island, trägt man einen Pulli aus Wolle von Islandschafen

Nicht immer muss man gleich wegfahren oder -fliegen; auch Bücher sind fantastische Entdeckungsmedien. Mentale Reisen können wundervoll sein, und reale werden noch reicher mit passender Lektüre. Ohne Bücher wäre die Kind-am-Tellerrand-Nische nicht gemütlich. Und ohne Tee, aber das ist eine andere Geschichte.

Drei Sätze zu dem Bild ganz oben: Die Ecke gehört zum Palazzo de la Civiltà Italiana im römischen Viertel EUR. Ein Stück imposanter und zugleich politisch abstoßender Architektur, denn der Palazzo diente als Repräsentationsbau für das faschistische Mussolini-Regime. Unsere Erfahrung: Sogar die politische Wirkung von Architektur können Kinder ab einem bestimmten Alter verstehen – und das Erlebnis ist spannend. Mehr dazu hier.