Zuletzt aktualisiert am 7. Februar 2019 um 11:17
Als ich auf der Website des Infopoint Museen für & Schlösser in Bayern von der Blogparade “Perlenfischen” las, wurde mir klar, dass ich über das Frauenmuseum Meran einen eigenen Blogpost schreiben möchte. Die Blogparade fragt nach Entdeckungen in der Museumswelt, die sich als ganz persönliche Museumsperlen entpuppt haben. Hier wäre eine echte Perle – und da alle Welt nach Südtirol reist, auch eine, die für viele auf dem Weg liegen dürfte.
Kulturelles Minimalprogramm für Teenager
Sie müssen. Sie wollen nicht wandern, sie wollen keine Sehenswürdigkeiten, sie wollen shoppen oder chillen. Sie sind schließlich Teenager, weibliche, und selbst, wenn man sie alle als hinlänglich individualistisch bezeichnen kann, erfüllen auch sie ein paar der gängigen Klischees. Trotzdem: Die drei anwesenden Erwachsenen, die zu den Teilnehmern unserer Osterferienwoche in Meran gehören, finden, dass man einen Tag nicht einfach nur verdaddeln kann; irgendetwas Sinnvolles sollte man tun. Also beraume ich kulturelles Minimalprogramm an: einen Besuch im Frauenmuseum Meran, das bei meinen Recherchen im Vorfeld als klein und kompakt erschien und nicht als ein Ort, an dem man bei stundenlangem Herumlaufen lange Gesichter befürchten müsste.
Die Begrüßung in dem Museum, das auf die Privatinitiative einer Meraner Modeexpertin und Second-Hand-Shop-Besitzerin zurückgeht, ist von entwaffnender Herzlichkeit. Die junge Dame am Empfang findet es wunderbar, dass wir fünf weiblichen Wesen das Frauenmuseum Meran in unseren Südtirol-Urlaub einbauen, und sie erzählt uns von den anderen Teenagern, die herkommen: Oft, so sagt sie, seien es Schulklassen aus der Umgebung, meist mit Jugendlichen um die 17 Jahre, und ziemlich oft seien die Schüler am Ende recht bewegt von dem, was sie hier zu sehen bekämen.
Ein weiter Weg: 200 Jahre Frauengeschichte
Immerhin geht es um die Kulturgeschichte des weiblichen Lebens in den letzten 200 Jahren – anschaulich erzählt durch Kleider und andere Modeartikel sowie durch frauentypische Arbeits- und Alltagsgegenstände. In dem einen überschaubaren Raum, den die Dauerausstellung des Museums einnimmt, wird uns auf höchst kompakte Weise klar, was sich seit den Tagen von Korsett und Krinoline getan hat: wie hart und eingeschränkt in seinen Entfaltungsmöglichkeiten das Leben unserer Ur-Urgroßmütter war und wie steinig der Weg, der zu unserer heutigen Situation geführt hat.
Die Meilensteine auf diesem Weg sind oft so banal, wie es der weibliche Alltag in den heimischen vier Wänden viele Jahrhunderte lang war. So stellt das Frauenmuseum Meran die erste Geschirrspülmaschine Europas aus – eine Miele von 1929.
Opfer? Waren wir nie!
So konzentriert wie das Museum sind auch die Texte, die die einzelnen Vitrinen begleiten: Knapp und anschaulich erzählen sie von der Entwicklung der gesellschaftlichen Situation, der Arbeitsbedingungen und des Körperbildes der Frau. Dass wir nicht mit einer Familienmutter, die vor 150 Jahren auf einem Südtiroler Bauernhof lebte, tauschen möchten – und auch nicht mit ihren städtischen Zeitgenossinnen -, wird uns auf Schritt und Tritt bewusst. Dennoch verhindert die Ausstellung, dass wir die Damen der früheren Generationen mit Mitleid betrachten: Dass sie in ihrem zugegebenermaßen oftmals beschränkten Lebensraum viel Stärke und Einfluss entwickeln konnten, ist keine Frage. Wer, wenn nicht sie, hätte die Familien früherer Zeiten am Laufen gehalten? Und auch, wenn man von ihnen erwartete, dass sie sich die Organe durch ein Korsett einschnüren ließen: Freude an der Mode und an ihrem eigenen Körper hatten sie ganz offensichtlich.
Gerade die vielen Kleidungsstücke und Schönheitsaccessoires, die wir zu sehen bekommen, sorgen für einen sehr unterhaltsamen, sinnlichen Blick in die Geschichte des Weiblichen. Wir haben Spaß, keines der Mädchen geht gelangweilt an den Vitrinen vorbei, alle finden etwas zu schauen – wenngleich ich wohl die Einzige bin, die die Texte liest. Aber schließlich ist das hier auch kein Buch, sondern eine Sammlung von Anschauungsstücken.
Ist heute alles besser?
Eine Vitrine zur Historie der Haarmode kommt besonders gut an bei den Mädchen. Dass sie freier sind als viele Generationen vor ihnen, wird ihnen spätestens hier klar. Ist deshalb heute alles in Ordnung im Leben der Frau; ist die Unabhängigkeit erreicht, für die die Feministinnen gekämpft haben?
Das Frauenmuseum Meran gibt sich da nicht allzu zuversichtlich: Unter der Überschrift “Die neue junge Biedermeier-Frau oder der Rückzug in die Behaglichkeit” wird eine Installation gezeigt, in der eine träumerische junge Frau im Outfit unserer Tage vor einem Laptop sitzt. Neben dem Computer steht eine Colaflasche; angerichtet ist die ganze Szenerie auf einem spießigen Tischchen mit verschnörkelten Beinen und Häkeldecke. Sicherheit, stellt der Begleittext fest, stehe für die Frauen der jungen Generation häufig höher im Kurs als Rebellion gegen Ungerechtigkeiten und der Kampf für Rechte und Werte. Als Accessoires des neuen Biedermeier werden die elektronischen Geräte ausgemacht, mit denen man aus der gemütlichen Intimsphäre des Privatlebens heraus mit der Außenwelt kommunizieren könne.
Ich hätte diesen Text den vier Mädchen, mit denen ich unterwegs bin, gern vorgelesen. Aber ich will diese entgegen ihren Erwartungen nette Museumserfahrung nicht durch eine Spielverderber-Einlage zunichte machen. Immerhin werden die Mädels kurz nach dem Verlassen des Museums neue Snapchat-Nachrichten an die Daheimgebliebenen schicken und damit die Theorie von der Social-Media-affinen neuen Weiblichkeit ein wenig bestätigen.
INFO: Frauenmuseum Meran
Das Frauenmuseum Meran liegt in der Innenstadt von Meran, ein paar Schritte vom westlichen Ende der berühmten Laubengasse entfernt. Die Öffnungszeiten sind Montag bis Freitag von 10.00 bis 17.00 Uhr und Samstag von 10.00 bis 12.30 Uhr. Für Erwachsene kostet der Eintritt 4,50 Euro; der ermäßigte Preis liegt bei 4,00 Euro. Neben der Dauerausstellung finden wechselnde Sonderausstellung zu Themen statt, die sich um die Kulturhistorie der Frau ranken.
3 Comments
Jutta
Interessante These … die moderne Biedermeier-Frau … Haben sie denn zu kämpfen gelernt? Bin nachdenklich. Liebe Grüße, Jutta
Maria-Bettina Eich
Mich hat das auch nachdenklich gemacht. Sehen sie überhaupt Gründe, aus denen sie kämpfen sollten? Oder bewegen sie sich mental in ganz anderen Sphären?
Liebe Grüße zurück!
Maria