Zuletzt aktualisiert am 1. April 2020 um 12:42

INWIEFERN GEHT DESIGN KINDER UND JUGENDLICHE AN? #DESIGN-DIENSTAG

Bedruckte T-Shirts begegnen uns, seit wir lesen können. Oft stehen Dinge darauf wie “New York”, “Harvard University” oder “Hard Rock Café Barcelona”: damit jeder weiß, dass der Träger schon in der Welt herumgekommen ist – oder einfach nur, weil die Worte so schön kosmopolitisch klingen.

Daneben gibt es den Trend zum witzigen T-Shirt, dessen Aufschriften sich irgendwo zwischen unbeholfen-bemühter und treffender Pointe bewegen. Aber egal, ob peinlich oder witzig: Solche Shirts signalisieren unmissverständlich, dass der Träger sich als humorvolles Wesen versteht.

Inzwischen findet man eine dritte Art von Texten auf T-Shirts – und auf vielen anderen Alltagsdingen, die sich bedrucken lassen. “Self-made – you are living your story” steht auf einem Herrenoberteil – umrankt von Rosen, die so untypisch sind für die Männermode, dass sie geradezu gewagt individuell wirken. Schließlich geht es ja darum, die eigene Geschichte zu leben. Extremer formuliert es die Einkaufsüte, die in trendiger Farbkombination sagt: “Put yourself first!” Das ist vielleicht nicht gerade die Form des Sozialverhaltens, die wir von unseren Eltern gelernt haben, aber die andere Seite derselben Tüte klärt das Dilemma: “Show who you are!” steht da. So klingt die Angelegenheit wieder sozialverträglich: Wir sollen uns nicht rücksichtslos an erste Stelle setzen, sondern der Welt zeigen, wer wir höchstselbst sind – ohne Angst vor der Meinung anderer. “Live your dream” ist denn auch einer der beliebtesten T-Shirt-Sprüche. Das Duschgel mit der Aufschrift “Der Tag gehört dir!” schlägt in die gleiche Kerbe. Dass es bei alledem eher um Selbstverwirklichung im Einklang mit der Welt als um kruden Egoismus geht, bringt die bedruckte Brusttasche eines Hemds auf den Punkt: “Fall in love with as many things as possible.”

Die Street Philosophy, die uns da entgegenspringt, rankt sich um positives Denken, Motivation, Empowerment und Hedonismus: lauter Ideen, die schwer im Trend liegen. Warum aber haben sie sich zu Designelementen alltäglicher Konsumgegenstände gemausert? Warum lesen wir die Aufforderungen zur selbstbestimmten Lebensführung auf Einkaufstüten, Duschgels, T-Shirts? Wenn eine Kosmetikmarke Slogans auf ihre Tuben druckt, dann nimmt sie wohl an, dass dadurch mehr Gefühle geweckt werden als durch herkömmliches Duschgel-Verpackungsdesign. Und wenn wir unseren Mitmenschen auf unserem T-Shirt erzählen, dass sie ihre eigene Story leben, dann finden wir diese Message offenbar attraktiver als viele andere Varianten des Modedesigns. Brauchen wir die ständigen Ermutigungen so dringend? Oder möchten wir der Welt in erster Linie selbstbewusst mitteilen, dass wir an uns glauben? Wollen wir möglicherweise vor allem unsere Zugehörigkeit zu der Gruppe derer signalisieren, die die angesagte Philosophie der Selbstverwirklichung vertreten? Vielleicht haben wir es mit einer Art Über-Trend zu tun, dessen Clou darin liegt, der Welt zu sagen, dass sie keine Trends braucht, weil jeder seinen ganz persönlichen Traum verfolgt. Das klingt einserseits intelligent. Andererseits ist die Endlosschleife der Slogans auf die Dauer ganz schrecklich ermüdend. Statt Beteuerungen hätte man lieber wieder etwas Futter für die Sinne und die Phantasie. Überhaupt: Wie selbstbestimmt bin ich, wenn mir jeder sagt, dass ich möglichst selbstbestimmt sein soll? Und wenn ich grade keine tolle eigene Story zu bieten habe: Bin ich dann minderwertig?

Was es mit dem Design-Dienstag auf sich hat, steht hier