Zuletzt aktualisiert am 8. März 2023 um 21:51
Sehr lange habe ich an unserer Reiseroute nach Helsinki, Sankt Petersburg, Finnisch-Karelien und Russisch-Karelien gebastelt. Und mich ungemein gefreut über die vielen Leute, die sowohl in der dreidimensionalen Welt als auch übers Internet geäußert haben, dass sie gespannt sind auf das, was ich nach dem Trip erzählen würde. Wir sind wieder da, und nur langsam sortieren sich die Eindrücke zu erzählbaren Geschichten. Hier zunächst ein Überblick über unsere Route und ihre einzelnen Bausteine.
Helsinki
Auf Helsinki haben wir uns alle gefreut. Ich selbst war oft da: Helsinki ist eine meiner Lieblingsstädte. Für meine Familie ist es das zweite Mal, und es ist auch das zweite Mal, dass wir zusammen im Hotel Katajanokka wohnen: einem ehemaligen Gefängnis, das zu einem coolen Hotel umgebaut wurde. Vier Nächte haben wir in Finnlands Hauptstadt, und da die anstehenden Reiseetappen in Russland uns allen im Vorfeld ziemlich abenteuerlich vorkommen, fühlt sich Helsinki für uns an wie ein Ort, an dem man nochmal chillen kann, bevor es richtig losgeht. Weshalb wir in Sachen Sightseeing vielleicht etwas nachlässig sind und den Kindern unverantwortlich viel Zeit mit ihren kleinen elektronischen Geräten in ihrer Gefängniszelle lassen. Trotzdem haben wir in Helsinki einige neue Entdeckungen gemacht.
Da ist zum einen das Stadtmuseum, das erst 2016 eröffnet wurde. Ungefähr die Hälfte der Fläche ist reines Kindermuseum: ein historisches Helsinki zum Drin-Spielen, das sich über viele Räume erstreckt und in dem es sogar ein heimeliges Zimmer gibt, in dem die Kleinkinder unter Kronleuchtern ihren Brei verspeisen können. Finnlands legendäre Kinderfreundlichkeit begegnet einem in Helsinki an jeder Ecke. Auch der nicht-kinderspezifische Teil des Stadtmuseums verschreibt sich der Idee der Immersion: Statt ausführlicher Erklärungen bietet es vor allem historische Räume, in denen etwas von der Atmosphäre früherer Zeiten zu spüren ist.
Wichtigster Punkt auf der Helsinki-Agenda unserer jüngeren Tochter ist das Mumin Kaffe. Innerhalb der letzten Monate haben in Helsinki fünf dieser Cafés eröffnet, die den Mumintrollen der Schriftstellerin Tove Jansson gewidmet sind: relaxte Orte, an denen Kinder Platz zum Spielen haben und sich auch viele dem Spielalter entwachsene Menschen wie wir wohlfühlen. Mit japanischen Character-Cafés, in denen sogar das Essen die Form der zelebrierten Figuren hat, kann das Mumin-Café zwar nicht mithalten, dafür punktet es in Sachen Design. (Für Mumin-Fans gibt es im Süden Finnlands übrigens die Muminwelt, die skandinavisch-angenehme Version eines Themenparks. Über die habe ich hier geschrieben.)
Warum ich noch nie zuvor eine Bootstour durch die Inselwelt vor Helsinki gemacht habe, ist mir nicht klar: Sie gehört seit diesem Trip zu den Dingen, die ich Helsinki-Besuchern unbedingt empfehlen würde. Vom Wasser aus erschließt sich das Stadtbild besonders anschaulich; außerdem begreift man die Ausdehnung und die Vielfalt Helsinkis besser, wenn man auch die zugehörigen Inseln im Blick hat. Vor allem jedoch ist das, was man bei so einer Kanaltour zu sehen bekommt, von bilderbuchfähiger nordischer Schönheit. Und Bootfahren macht Spaß!
INFO Helsinki:
Das Hotel Katajanokka, ein ehemaliges Gefängnis, liegt etwa 15 Gehminuten vom inneren Zentrum Helsinkis entfernt auf der ruhigen, maritim geprägten Halbinsel Katajanokka, auf der viele Häuser im nationalromantischen finnischen Jugendstil stehen.
Im Herzen Helsinkis, am Senatsplatz direkt gegenüber dem Dom, wurde das Stadtmuseum Helsinki eröffnet. Zu besuchen ist es montags bis freitags von 11.00 bis 19.00 Uhr, samstags und sonntags von 11.00 bis 17.00 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Das Mumin Kaffe gibt es mittlerweile fünfmal in Helsinki. Adressen und Öffnungszeiten finden sich auf der Website.
Vom zentralen Marktplatz aus fahren verschiedene Ausflugsboote durchs Insel-Archipel rund um Helsinki. Wir können die Kanal-Tour empfehlen; daneben werden zahlreiche andere Routen angeboten.
Mit dem Zug Allegro von Helsinki nach Sankt Petersburg
Seit der Hochgeschwindigkeitszug zwischen Helsinki und Sankt Petersburg eingerichtet wurde, wollte ich ihn nehmen, um die geographische Nähe zwischen dem bekannten Nordeuropa und dem mythischen Russland zu erleben. Knapp dreieinhalb Stunden braucht der Zug namens Allegro von der einen bis in die andere Stadt – und er ist mega-modern. Am beeindruckendsten finden unsere Kinder die Garderoben mit Bügeln in den Waggonzwischenräumen, ihre Eltern sind noch mehr von den Trinkwasserspendern angetan. Der Allegro ist gut von Deutschland aus zu buchen; wir haben unsere Karten telefonisch bei dem auf Bahnreisen spezialisierten Reisebüro Gleisnost in Freiburg gekauft.
Irgendwann während der geschmeidigen Fahrt dann die Grenze zwischen zwei Weltregionen, die zu der Zeit, in der sich mein persönliches Weltbild formte, in schärfster Feindschaft zueinander standen: dem vertrauten Westen und dem unbekannten, während meiner Kindheit so bedrohlichen Osten. Eine wunderbar unspektakuläre Grenze: Irgendwo im völkerverbindendenden karelischen Wald steht ein Mann an einem Zaun und ist so schnell wieder verschwunden, dass ich es nicht schaffe, die Kamera zu zücken. Die russischen Grenzbeamten sind grimmig wie im Film, akzeptieren unsere Visa aber fraglos und lassen sich durch unsere laienhafte Aussprache von “spaciba”, dem russischen Wort für “danke”, sogar zu einem Lächeln hinreißen.
Nach der Grenze ab und zu mal ein Dorf mit Holzhäusern in verschiedenen Zuständen zwischen romantisch und desolat; hin und wieder klassische sozialistische Architektur, vor allem aber Natur – und der elegante Bahnhof von Wyborg.
INFO Zug Allegro und Russland-Visum:
Der von der finnischen Bahngesellschaft VR betriebene Hochgeschwindigkeitszug Allegro benötigt drei Stunden und 27 Minuten von Helsinki bis nach Sankt Petersburg, wo er am Finnischen Bahnhof ankommt. Er fährt fünfmal täglich; der Fahrplan findet sich auf der Website. Wir haben die Zugverbindung von Finnland nach Russland telefonisch beim Reisebüro Gleisnost in Freiburg gebucht; Kontaktdaten auf der Website.
Für eine Russlandreise benötigt man ein Touristenvisum. Verschiedene Agenturen bieten die Beschaffung eines Visums übers Internet an. Vor der Reise sollte man hierfür ausreichend Zeit einkalkulieren, denn zunächst muss der noch mindestens sechs Monate gültige Reisepass an die beauftragte Agentur geschickt werden, die ihn später mit Visum wieder zurückschickt. Wir haben gute Erfahrungen gemacht mit Ries Reisen, die das Thema Visum sehr zuverlässig und zügig für uns abgewickelt und uns genau über alles informiert haben, was man dafür benötigt. Dazu gehört nicht zuletzt eine Reisekrankenversicherung, die man auch über Ries Reisen abschließen kann. Detaillierte Hinweise zur Beantragung eines Russland-Visums gibt außerdem der Reiseblog Imprintmytravel.
Sankt Petersburg
Und dann: Sankt Petersburg. Am Finnischen Bahnhof bietet uns ein Taxifahrer seine Dienste an. Wir schlagen ein – für einen Preis, den ich hier nicht verrate, denn das würde meine Glaubwürdigkeit als Reisebloggerin bei allen Russland-Kundigen zunichte machen. Kurz: Wir nehmen ein Taxi zum Hotel und zahlen einen soliden Euro-Preis.
Unser Hotel liegt in der Uliza Marata, die in den Newski-Prospekt mündet: eine Lage, die zentraler ist, als mir bei der Buchung klar war. Es heißt Martin Hotel, ist intim und von postsowjetisch-barocker Noblesse. Ich finde das cool, und obwohl die Töchter mehr Interesse am russischen WLAN – exzellent! – zeigen, scheint mir, auch sie haben Spaß am diskreten Pomp der neuen russischen Bourgeoisie.
Tja, und jetzt? Jetzt tue ich etwas, was diesen Artikel wahrscheinlich die Hälfte seiner Leser kostet: Ich erzähle nicht, was wir in Sankt Petersburg gemacht und gesehen haben. Das ist Stoff für weitere Blogartikel. In Stichworten nur so viel: Sankt Petersburg ist keineswegs überall golden, es hat aber auch nicht übermäßig viel sozialistische Tristesse zu bieten. Es bereist sich leicht, ist voller Touristen, fühlt sich für uns sehr sicher an, unterscheidet sich in Sachen Restaurant-Angebot kaum von anderen beliebten Städtereise-Zielen. Am kuriosesten ist mir der durch Megaphone verursachte Geräuschpegel im Kopf geblieben: An den tourismusrelevanten Knotenpunkten werden in gigantischer Lautstärke von scheinbar nur dafür angestellten Menschen Touren angeboten; vor manchen Geschäften Produkte. Auch Straßenmusiker geben in Sankt Petersburg alles: Leningrad Cowboys mit Punk-Attitüde. Die Stadt profitiert davon, ungeheuer gut erhalten zu sein, und macht Pracht zum Alltagsphänomen. “Bei uns wäre schon einer dieser Paläste eine Sehenswürdigkeit”, sagt eine meiner Töchter. “Hier nimmt man sie gar nicht mehr wahr.” Die Stadt ist dennoch überhaupt kein Museum, sie ist voller Energie und good Vibrations. Und dann das Licht. Dieses unglaubliche Sankt Petersburger Licht, vor allem am Abend über der Newa, und keineswegs nur in den Weißen Nächten.
INFO Hotel St. Petersburg:
Das Martin Hotel würden wir jederzeit wieder buchen. Die Lage ist erstklassig – ruhig, aber nur fünf Gehminuten bis zum Newski Prospekt -, die Zimmer komfortabel, das Personal sehr hilfsbereit. Und: Zu ihrem 16. Geburtstag hat das Hotel unserer großen Tochter eine Riesenschachtel Raffaellos ins Zimmer gestellt!
Mit dem Zug Arktika von Sankt Petersburg nach Petrosawodsk
Ich weiß nicht, welcher der Eindrücke von dieser Reise sich am stärksten in den Köpfen unserer Kinder festsetzen wird. Der Zug, den wir am Ladoga-Bahnhof besteigen, dem modernsten der fünf großen Sankt Petersburger Bahnhöfe, hat gute Chancen, Erinnerungsstoff Nummer eins zu werden. Er heißt Arktika und fährt bis ins nördlich des Polarkreises gelegene Murmansk. Auch diesen Zug hat das Reisebüro Gleisnost in Freiburg für uns gebucht: sehr kompetent, völlig problemlos, obwohl selbst der Russland-Spezialist bei Gleisnost mit dieser Verbindung nicht vertraut war. Bereits beim Buchen überkam mich ein wenig Pionierstolz.
Und jetzt, am Bahnhof, erst recht. Es ist ein berauschendes Gefühl, in einen Zug mit der Destination Murmansk zu steigen. Noch berauschender ist, was uns im Zug erwartet. Wir haben zwei Schlafwagenabteile gebucht, denn wenngleich wir nur sieben Stunden am helllichten Tag fahren, ist dies hier ein Langstreckenzug, der für übernachtende Passagiere ausgestattet ist.
Ich teile mir ein Abteil mit unserer jüngeren Tochter. Der Moment, in dem wir es betreten, versetzt uns in eine andere Wirklichkeit. In eine Zeit, in der Reisen Luxus war. Auf dem Tischchen unseres Abteils stehen Kaffeetassen und eine Seidenrose, das Fenster ist von bühnenhaften Vorhängen eingerahmt, überall hängen Spiegel, wir haben einen Fernseher und eine kleine Garderobe im Abteil. Wir lassen uns in die dicken Kissen sinken, und eine adrett uniformierte Dame serviert Frühstück. Das Wasser für den Teebeutel gibt es in einem sachlichen Samowar am Ende des Waggons.
Wir liegen, dösen, lesen, daddeln am Handy. Draußen zieht Russland vorbei; ach was: ein winziger Teil von Russland. Ich war gespannt auf das, was es bei dieser siebenstündigen Zufahrt zu sehen gäbe, aber es ist vor allem Grün und ab und zu mal etwas Industrie. Wir schauen lieber ins Innere des Abteils und fühlen uns postsowjetisch oder zaristisch, auf jeden Fall aber komplett losgelöst vom gewohnten Raum und der gewohnten Zeit.
INFO Zug Arktika:
Mir ist keine Möglichkeit begegnet, den russischen Langstreckenzug Arktika, der von Moskau nach Murmansk fährt, online zu buchen. Die Tickets haben wir über Gleisnost in Freiburg gekauft.
Russisch-Karelien
In Petrosawodsk steigen wir aus. Kennt jemand Petrosawodsk? Es ist eine Großstadt mit 260000 Einwohnern, Hauptstadt der autonomen russischen Republik Karelien. Warum wir dahin wollen? Wir wollen gar nicht dahin, wir wollen nach Kishi. Kishi ist eine Insel im Onegasee, dem zweitgrößten See Europas – nach dem Ladogasee, an dem wir mit unserem Arktika-Zug irgendwie vorbeigefahren sein müssen, ohne ihn zu sehen. Auf Kishi stehen zwei russisch-orthodoxe Holzkirchen und ein Glockenturm, die als “Kishi Pogost” – “Pfarrei Kishi” – UNESCO-Weltkulturerbe sind. Drumherum gibt es ein Freilichtmuseum mit karelischen Holzbauten.
Kishi ist eine fixe Idee von mir: ein Ort, an den ich mich seit Jahren wünsche. Von Petrosawodsk, das am Ufer des Onegasees gelegen ist, fahren Tragflügelboote auf die Insel. Deshalb steigen wir in Petrosawodsk aus dem Zug, mit dem nach Murmansk weiterzufahren extrem verführerisch wäre.
Petrosawodsk macht uns mehr Spaß, als wir erwartet hätten. Es ist schön, außer dem touristischen Sankt Petersburg auch eine russische Provinzstadt zu sehen. Und diese Stadt ist sympathisch. Dank ihrer Lage am See und ihrer großzügigen, kunstgeschmückten Uferpromenade hat sie etwas von einem Badeort, während die Innenstadt von sozialistischer Architektur geprägt ist, ohne desolat zu wirken.
Und Kishi? Kishi ist ein eigenes Kapitel auf diesem Blog. Über das teils russische, teils finnische Karelien habe ich im Vorfeld bereits ein bisschen erzählt.
INFO Petrosawodsk und Kishi:
In Petrosawodsk haben wir im Onego Palace Hotel gewohnt: einem großen, fast amerikanisch anmutenden Kongresshotel am Ufer des Onega-Sees mit hohem Standard und einem opulenten russischen Frühstücksbüffet, das wir mit weniger westlich geprägten Mägen bestimmt sehr genossen hätten. Wie alle Unterkünfte auf unserer Finnland-Russland-Reise haben wir es über das Buchungsportal Booking.com gebucht, mit dem ich bislang immer sehr gute Erfahrungen gemacht habe.
Von Petrosawodsk starten pro Tag zahlreiche Tragflügelboote nach Kishi, und es gibt viele Anbieter für Exkursionen auf die Insel. Wir haben per E-Mail ein Paket bei Visit Russia gebucht, das einerseits die Bootsfahrt, andererseits eine geführte Tour mit deutschem Guide beinhaltete.
Weiterführende Information über Reisen in Russisch-Karelien gibt die Website des karelischen Tourismusportals.
Mit dem Bus von Russisch-Karelien nach Finnisch-Karelien
Es gibt ihn, es gibt ihn nicht, es gibt ihn, es gibt ihn nicht, es gibt ihn… – Der Bus, der uns von Petrosawodsk ins finnische Joensuu bringen soll, ist der bei weitem abenteuerlichste Baustein unseres Reiseprojekts. Der kleine Grenzverkehr zwischen Russisch-Karelien und Finnisch-Karelien gehört nicht gerade zu den großen Touristenrouten dieser Welt. Ich habe eine Weile mit den Fremdenverkehrsbüros auf beiden Seiten Kareliens herumgemailt, um herauszufinden, wie man überhaupt von einer Seite der Grenze auf die andere kommt. Irgendwann hieß es: Es gibt einen Bus, aber noch keinen Fahrplan für den Sommer. Ein paar Monate später hieß es: Der Bus fährt im Sommer jeden Morgen um 5.00 Uhr in Petrosawodsk ab. Noch später gab es einen Link zum Buchen der Tickets. Allerdings nur auf Russisch. Außerdem eine Mailadresse, unter der man in englischer Sprache buchen können sollte. Und von dieser Adresse nie eine Antwort auf meine Mails.
Als wir schließlich in Petrosawodsk ankommen, führt uns unser erster Weg zum Busbahnhof. Jawohl, es gibt den Bus, und es gibt Tickets. Mit unseren deutschen Pässen und Visa verursachen wir eine richtig lange Schlange am Busbahnhof, aber das ist uns egal. Weniger egal ist uns das Missverständnis, das am Tag unserer Busfahrt um 4.25 Uhr morgens dazu führt, dass uns das Taxi zum regulären Eisenbahn-Bahnhof bringt. Mein Mann sagt “Autobus” auf Russisch, ich google hektisch nach Fotos von Reisebussen. Nichts hilft – bis der Taxifahrer in unserem Hotel anruft und sich von der Dame an der Rezeption versichern lässt, dass er uns wirklich zum Busbahnhof bringen darf.
Wir fahren gut sieben Stunden: von fünf Uhr früh bis zum Mittag. Die morgendliche Landschaft ist herrlich: das tiefe Grün der Mischwälder, zwischendrin immer wieder das nicht minder tiefe Blau von Seen. Ob man in Finnland oder in Russland ist, kann man nur anhand der Bauten unterscheiden. Auf russischer Seite ziehen immer wieder Siedlungen aus Holzhäusern am Fenster vorbei – manche in bemerkenswerten Stadien des Verfalls, andere schmuck. Ab und zu Relikte aus der Sowjetzeit, und zweimal glitzert es: Für einen Moment scheinen die goldenen Kupppeln russisch-orthodoxer Kirchen zwischen eher ärmlichen Wohnbauten auf.
Viermal müssen wir an der Grenze unsere Pässe vorzeigen, dreimal wollen russische Beamte sie sehen, einmal ein finnischer. Das Procedere scheint bekannt zu sein, die Buslinie hat es offenbar in ihre Reisezeit eingerechnet, denn wir kommen pünktlich im finnischen Joensuu an.
INFO Busverbindung russisch Karelien – finnisch Karelien:
Wie schwierig es war, die Bustickets vom russischen Petrosawodsk ins finnische Joensuu zu erstehen, erzähle ich oben. Die Busgesellschaft heißt Karelavtotrans; hier der Link zu ihrer Website.
Finnisch-Karelien
Als wir für drei Tage unser Ferienhaus im Wald am Pielinen-See beziehen, haben wir ein Gefühl von: endlich Urlaub! Denn trotz aller sorgsam geplanten Auszeiten in Hotelzimmern mit WLAN und vielen Cafébesuchen waren unsere vorherigen Reiseetappen nicht wirklich zum Ausspannen geeignet.
Am Pielinen-See genießen wir die Ruhe und den Duft von Bäumen und Wasser, rudern mit einem Boot durch die Gegend, sitzen in der Sauna und machen uns im Mökki – so das finnische Wort fürs Sommerhaus – breit. Mit dem Mietwagen, den wir nach unserer Ankunft aus Russland genommen haben, fahren wir um den See herum und schauen uns an, was es in dieser Gegend so zu sehen gibt: ein paar Häuser, ein bisschen Kunst, alles aus dem die Gegend dominierenden Holz. Hiervon erzähle ich in einem eigenen Blogartikel.
Die rund 500 Kilometer, die uns aus Karelien zurück zum Flughafen von Helsinki führen, fühlen sich gemächlich an: Wälder und Seen, Seen und Wälder, Geschwindigkeitsbegrenzungen und Blitzanlagen. Wir haben viel gesehen in unseren sieben russischen und neun finnischen Tagen, aber als ich am ersten Tag nach der Reise zu Hause aufwache, erblicke ich vor meinem geistigen Auge vor allem Birkenwälder.
INFO Finnisch-Karelien:
Nordkarelien, wo wir unsere drei Mökki-Tage verbracht haben, ist Teil der finnischen Seenplatte im Osten des Landes. Es gibt dort viele Möglichkeiten, Ferienhäuser zu buchen. Gute Informationen über die Region finden sich auf der Website von Visit Karelia. Wir hatten unser Haus nur für drei Nächte und damit für eine kürzere als die übliche Mietzeit. Es gehörte zu den Koli Spa Lotus Cottages, die solche Kurzaufenthalte möglich machen. Lage und – sehr modernes – Häuschen waren toll, einen Wermutstropfen aber gab es: Die Bilder auf den Buchungswebites zeigen ein herrliches Schwimmbad, das während unseres Aufenthalts komplett verschlossen war.
12 Comments
Steffi
Tolle Tour!
Ich hab mal in St. Petersburg gewohnt, war auch oft in der Umgebung und in Finnland, nach Karelien habe ich es nie geschafft. Danke auch für die vielen Infos – vielleicht schaffe ich es ja noch mal!
Liebe Grüße
Steffi
Maria-Bettina Eich
Ach, toll! In St. Petersburg zu wohnen, muss natürlich nochmal eine völlig andere Geschichte sein – wir haben ja nur geschnuppert! In Karelien gibt es auf russischer Seite noch viel mehr zu entdecken als das, was wir in der kurzen Zeit gesehen haben – ich drücke Dir die Daumen, dass Du es mal dorthin schaffst.
Liebe Grüße,
Maria
Beate Köhler
Ein Traumbericht zu einer Traumreise! Dieses Land ist einfach unfassbar groß. Schön, dass man immer wieder neue Sehnsuchtsziele entdecken kann.
Maria-Bettina Eich
Hallo, Beate, von solchen Zielen dürfte es dort noch einige geben! Ich habe Blut geleckt und möchte irgendwann nach Moskau. Dass Ihr an unserer Reise nicht völlig unschuldig war, weißt Du ja!
Bis bald auf einen Kaffee,
Maria
Lena
Wow, ich bin total geflasht. So eine grandiose Reise! Ich hätte irgendwie viel mehr Armut und Kaputtes erwartet. Aber gerade St. Petersburg ist wahrscheinlich auch eine Art Vorzeigestadt? Ich kenne mich leider herzlich wenig in Russland aus. Seid ihr irgendwie mit der politischen Situation in Berührung gekommen, oder überhaupt nicht? Wahnsinnig spannend, das alles!
Maria-Bettina Eich
Hallo, Lena, mehr Kaputtes hätten wir definitiv auch erwartet. St. Petersburg und Moskau sind mit Sicherheit Vorzeigestädte, deshalb fand ich es so interessant, kurz noch ins karelische Petrozavodsk zu schnuppern. Aber was wir in sieben Tagen sehen konnten, ist natürlich nur das minimalste Bruchstück dieses riesigen Landes! Das lässt mich selbst ein bisschen unbefriedigt, aber andererseits sind sieben Tage Russland unendlich viel mehr als gar kein Russland, daher will ich nicht meckern. De facto sind wir kein bisschen mit der politischen Situation in Berührung gekommen. Das liegt sicher zum einen an unseren nicht vorhandenen Russischkenntnissen und an den sehr begrenzten Englischkenntnissen der Menschen, die wir getroffen haben. Zum anderen glaube ich aber auch nicht, dass die Russen sich von Touristen so furchtbar gern in die Karten lassen schauen, was ihre aktuelle Einschätzung der politischen Lage angeht. Falls es Dich interessiert, hier ein Buchtipp: “Generation Putin” von Benjamin Bidder. War für mich sehr aufschlussreich.
Grüße!
Maria
Wolfi
Buchtip: EISZEIT von Gabi Krone-Schmalz
Maria-Bettina Eich
Danke!
Gerda Pauzenberger
Spannend!! Ich plane derzeit zwanzig Tage Petrosawodsk und überlege, da mich mein Hund begleiten wird, über Finnland einzureisen, statt über Belaruss.
Könnte ich möglicherweise Tipps’ für die Zugreise von Helsinki nach St. Petersburg haben, bitte? Ich war noch nie in Finnland und kenne mich daher dort null aus.
Danke und lg
Maria-Bettina Eich
Oh, zwanzig Tage in Petrosawodsk, das klingt spannend! Was ist für diese Zeit geplant?
Im Grunde genommen finden sich alle meine praktischen Tipps für die Zugreise von Helsinki nach St. Petersburg in dem Artikel unter “INFO Zug Allegro und Russland-Visum”. Wie dort erwähnt, hat uns das Freiburger Reisebüro http://www.gleisnost.de sehr gut weitergeholfen, das man auch per Telefon oder Internet kontaktieren kann.
Eine gute Reise!
Maria