Zuletzt aktualisiert am 15. Oktober 2017 um 17:41
Bücher-Countdown Nr.2
Fantastisches Konzept, herrliches Buch: Der französische Illustrator Vincent Mahé zeichnet in 750 YEARS IN PARIS dasselbe Pariser Haus durch die Jahrhunderte hindurch – ohne Worte. Anspruchsvoll gedruckt von der Nobrow Press (englische Ausgabe; weitgehend textfrei).
Vom Mittelalter bis 2015
Vincent Mahé lässt seine Pariser Stadtgeschichte im Jahr 1265 beginnen. Kühe weiden vor einem mittelalterlichen Haus mit Fachwerk und Türmchen, ein Bauer bestellt das angrenzende Feld. Nur fünf Jahre später hat sich die Szenerie verändert: Jetzt ziehen Kreuzritter an dem vergrößerten Haus vorbei.
Vincent Mahé braucht keine Worte
Die Grauen der Bartholomäusnacht
Mehr als Bilder braucht Vincent Mahé nicht, um ein Dreivierteljahrtausend zu erzählen. Seine Bilder zeigen, wie Kriege und Brände das Pariser Haus zerstören, wie es immer wieder erneuert wird, wie stabile und unruhige Zeiten aufeinander folgen. Die Menschen, Tiere und Transportmittel stellen kleine historische Sittengemälde dar, und manchmal wird es handfest historisch: wie auf dem Bild von der Bartholomäusnacht im Jahr 1572, als Frankreich ein Massaker an seinen Protestanten verübt. In Mahés Haus wird jetzt gekämpft, eine Person wird an einem Balken gehängt. Auch der Sturm auf die Bastille während der Französischen Revolution führt an diesem Gebäude vorbei. Ein kleiner Anhang listet am Ende des Buches die wichtigen historischen Eckdaten auf.
Eine Bildergeschichte der Architektur
Bautechniken des beginnenden 17. Jahrhunderts
Eine Phase der Behaglichkeit im 18. Jahrhundert
Nicht zuletzt ist 750 YEARS IN PARIS ein Bilderbuch zur Baugeschichte durch die Jahrhunderte. Immer wieder erweitert Vincent Mahé sein Pariser Haus oder baut es nach Zerstörungen wieder auf – jeweils mit den Techniken und im Stil der jeweiligen Zeit.
Paris, wie der Baron Haussmann es konzipierte
1863 erscheint dann schließlich ein vollständiges Haussmann-Immeuble: eines der vielen Häuser, die den Vorstellungen des Baron Haussmann entsprechen. Hausmanns Stadtplanung prägt das Bild von Paris bis heute.
Paris im 20. Jahrhundert
Das 20. Jahrhundert beginnt vielversprechend: mit Fin-de-Siècle-Flair, stattlicher Bürgerlichkeit und einer Mischung aus Pferdewagen und Automobilen auf der Straße. Wie man weiß, bleibt das Jahrhundert nicht friedlich. 1915 sieht man Lazarettwagen. Im Jahr 1943 hat sich Vincent Mahés Haus in ein mit Hakenkreuzen dekoriertes deutsches Soldatenheim verwandelt. Im Mai 1968 brennen Barrikaden.
Das Paris von Vincent Mahé
2015 veröffentlicht Vincent Mahé sein Buch – im Sommer. Im Januar des Jahres haben die islamistischen Attentate auf die Redaktion der Pariser Satirezeitschrift “Charlie Hebdo” stattgefunden. In der letzten Ansicht, die Mahé zeigt, laufen Demonstranten an seinem Haus vorbei. “Je suis Charlie” – “Ich bin Charlie” – ist nach den Attentaten das allgemeine Motto der Solidaritätsbekundungen, die man auch an Mahés Bild ablesen kann. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von 750 YEARS IN PARIS weiß noch niemand, dass Paris im November 2015 von noch blutigeren Anschlägen heimgesucht werden wird. Was Aktualität des letzten Bildes in Mahés Buch nicht mindert. Dieses Bild fast deutlich zusammen, wovon das ganze Buch erzählt: Unsere Städte sind ein vielsagender Ausdruck unserer Gemütsverfassung, und unserer gesellschaftlichen wie politischen Situation. Besser als Vincent Mahé in seinem Paris-Bilderbuch kann man das kaum veranschaulichen.
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