Zuletzt aktualisiert am 6. Juni 2018 um 13:15

Spiegeln. Flimmern. Schillern. Und Muster, Muster, Muster. Auf Porzellankacheln, Vasen, Tapeten, Decken, Bildern, Textilien. In Rastatt steht Schloss Favorite und versetzt die Sinne heute in den gleichen psychedelischen Rausch wie vor 300 Jahren.

Brot für Kiesel

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Die Rastatter Sommerresidenz ist ein ganz erstaunliches Schloss. Das beginnt schon bei den Außenwänden: Die sind über und über mit kleinen Kieseln besetzt. Angeblich tauschte die wohltätige Markgräfin Sibylla Augusta sie bei den Kindern der verarmten badischen Bevölkerung gegen Geld und Essen ein. Die Markgräfin stammte aus Böhmen, wo man solche Wände hatte und von wo sie eine Menge Geld mitbrachte.

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Das Porzellanschloss

Einen beachtlichen Teil davon gab sie für Porzellan aus. Das war damals Mode, und gerne ließ man sich für seine Sammlung ein Porzellanschloss errichten: ein Schloss, bei dem in jedem Raum Porzellan eine Rolle spielte. Deshalb bekleiden in Favorite blau-weiße Kacheln Kamine, Treppenstufen und ganze Wände.

dreigeschossiger Großer Saal mit Nischenfiguren, blau-weißen Fayenceplatten, Deckenmalerei, hi: geschlossene Tür zum südlichen Vorplatz mit Brunnen, nach SW. Raum 017, 117, 217. Wandgliederung und Balustraden mit farbigem Stuckmarmor

Es gibt eine Schauküche, in der nie gekocht wurde, und die einzig als Kulisse für Porzellangegenstände diente.

Mit aufgestellten Fayencen

Ein Märchenschloss, das jeden Disney übertrifft

Auch sonst ist Schloss Favorite eine gigantische Kulisse, in der jeder Millimeter mit extremem Kunsthandwerk in symbolischen Formen bedeckt ist.

Raum 109 im Appartement des Erbprinzen Ludwig Georg, mit Scagliola-Fu§boden. Stickbilder an WŠnden und Prunkbett

Wir finden das schwindelerregend, umwerfend und wahnsinnig unterhaltsam. Kein Disney dieser Welt könnte sich so ein Märchenschloss ausdenken. Würde ihm keiner abnehmen. So etwas ist echt oder gar nicht.

Gut erhaltenes Kleinod

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Es ist ein großes Glück, dass sich nach der Markgräfin niemand mehr besonders für das zwischen 1710 und 1730 erbaute Porzellanschloss interessierte und dass Rastatt nicht in der Schusslinie späterer Kriege lag. So ist ein barockes Kleinod erhalten geblieben, das ein so schriller wie freundlicher Auswuchs einer Epoche ist, mit der man selten so viel Spaß hat wie hier.

Alle Fotos außer 2.v.o.: (c) Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg

Hier geht’s zur Klosterkirche Neresheim, die die Prinzipien des Barock in Reinform zeigt