Zuletzt aktualisiert am 4. Juli 2019 um 10:25
Meran. Sechs Tage, drei Erwachsene, vier Mädchen zwischen zwölf und 15 – und eine eigentlich geniale Konstruktion: Die Girls bewohnen eine Ferienwohnung, während die Eltern im zugehörigen Hotel nächtigen. Hat viel für sich. Und auch ein paar Haken.
Südtirol statt Griechenland
Meran ist keine griechische Insel, und es steht auch nicht auf der Filofax-Wunschliste meiner zwölfjährigen Tochter und ihrer Freundin. Dafür steht dort Santorin – immer noch, obwohl die Mädchen ihre Eltern vor den letzten Schulferien eigentlich mühelos überzeugt hatten, dass man gemeinsam nach Santorin reisen solle. Aber Santorin ist im April nicht so gemütlich per Flugzeug zu erreichen, wie wir es uns wünschten. Also wurde Korfu in Betracht gezogen. Doch auch Korfu ist im April noch zur Hälfte geschlossen, und was gibt es Deprimierenderes als eine Feriengegend, in der die Schotten dicht sind?
Also Meran. Ist nicht blau-weiß, hat aber mit griechischen Inseln zumindest die Palmen gemein und mit Korfu den Platz im Herzen von Kaiserin Sisi, einer begeisterten Korfu- und Meran-Touristin. Als dann die Inhaberin des Hotels Villa Freiheim, auf das ich an anderer Stelle schon ein höchst verdientes Loblied gesungen habe, ihren kongenialen Plan zur Unterbringung der Mädchen in einer Ferienwohnung, der Eltern im Hotel entwickelt hatte, waren wir sicher: Meran war für unsere Absichten der richtige Ort.
Reisen mit Teenagern: einerseits Familie, andererseits Freunde
Die Reisegruppenkonstellation variierte bis zur Abreise; als es losging, waren wir drei und vier: die Freundinneneltern mit Tochter und ich als alleinreisende Mutter mit drei Teenage-Girls. Zum einen wollte auch meine große Tochter eine Freundin dabeihaben, zum anderen war mein Mann aufgrund einer Sehnenoperation reiseunfähig. Ein kleiner Wermutstropfen, aber im Großen und Ganzen schien die Ausgangslage perfekt für ein Experiment zum Thema Reisen mit Teenagern: einerseits Familie, andererseits Freunde; einerseits eine Unterbringung, die sich dem elterlichen Kontrollbereich nicht völlig entzieht, andererseits eine gewisse Freiheit in der eigenen Ferienwohnung.
Die Stimmung beim Einzug ist denn auch erstklassig. Die Mädchen haben zwei schöne Schlafzimmer, eine geräumige Wohnraum-Küchen-Kombination und zu allem Überfluss eine große Terrasse mit umliegendem Garten, den sie ebenfalls nutzen dürfen. Und in dem es Palmen gibt. Der Trennungsschmerz, als die Eltern vom Appartementhaus der Villa Freiheim über eine kleine Straße zum Hoteltrakt gehen, tendiert auf beiden Seiten gen null.
Schlafdefizit
Ein erster kleiner Haken an unserem sorgsam geplanten Arrangement wird am zweiten Morgen spürbar. Zum Frühstück kommen die Mädchen ins Hotel. So der Plan. Hotelfrühstücke sind jedoch irgendwann zu Ende – in unserem Fall um zehn Uhr. Bis zu diesem Zeitpunkt haben wir exakt 50 Prozent der Girlgroup gesehen. Die anderen 50 Prozent verschlafen und erscheinen so spät, dass es uns peinlich ist. Die Hotelchefin reagiert mit maximaler Entspanntheit: Sie kenne das von ihren Enkeln, und im Übrigen habe sie im Alter unserer Kinder auch gern bis in die Puppen geschlafen. Das versteht jeder, aber in unserem Fall potenziert sich das Problem von Tag zu Tag: Schließlich gibt es in der Ferienwohnung keinen Erwachsenen, der das Licht ausschaltet, das Zusammensein mit den Freundinnen ist toll, ein beachtliches Schlafdefizit akkumuliert sich. Selbiges führt zu unterschwelliger Gereiztheit, die sich klassischerweise vor allem zwischen meinen beiden Töchtern entlädt – zwischen denen schwelt es bis zum Ende des Urlaubs.
Mich nervt das, und weil ich fürchte, dass es alle anderen ebenso nervt, steigt mein Stresslevel. Allerdings immer nur, bis ich die Straße überquere und die Mädchen hinter mir lasse. Unsere Urlaubskonstellation erlaubt mir wunderbaren Mütteregoismus: Sollen die Töchter ihre Zickereien halt mal vor anderem Publikum ausleben als vor den Eltern. Darüber hinaus fangen die Freundinnen das Schwestergezanke immer wieder ab.
Machen, wozu man Lust hat – und mit wem man Lust hat
Die Möglichkeit, sich je nach Lust und Laune anders aufzuteilen, ist sowieso das ganz große Plus unseres Südtirol-Experiments: Manchmal unternehmen wir alle etwas zusammen, manchmal trennen sich Erwachsene von Jugendlichen, manchmal teilen sich die Mädchen untereinander auf, manchmal entstehen bunt gemischte Kleingruppen. Dadurch kommt jeder Einzelne immer wieder dazu, genau das zu machen, wozu er Lust hat. Immerhin ist Meran bei aller Berühmtheit kein großstädtischer Moloch, außerdem sind die Kinder groß, haben Handys und können sich überall auf Deutsch verständigen: Voraussetzungen, aufgrund derer wir sie allein von unserer Unterkunft in die Stadt gehen lassen. Das erspart uns Erwachsenen einige ermüdende Shopping-Runden und ihnen die ständige Kontrolle.
Wer entscheidet?
Freiheit hin, Freiheit her: So ein Urlaubstag muss ein bisschen geplant werden. Davon jedenfalls sind wir zwei anwesenden Mütter überzeugt. Die vier Mädchen nicht unbedingt. Was dazu führt, dass wir einen halben Tag auf den ersten Metern des berühmten Meraner Tappeinerwegs mit Diskutieren verbringen. Man könnte zum Schloss Tirol wandern. Das wollen nicht alle. Man könnte auch Wandern, Sessellift und Bus kombinieren, um zum Schloss Tirol zu gelangen – ein guter Kompromiss, wie die Erwachsenen finden. Die Mädchen sind dagegen, erklären sich aber bereit, zunächst einmal in den Sessellift (siehe Bild ganz oben) zu steigen. Oben versuchen wir, sie in den Bus zu locken. Sie bleiben stehen und diskutieren weiter. Wollen zurück in die Stadt. Ich sage: Irgendwas Vernünftiges müssen wir heute machen – wer in die Stadt fährt, geht mit mir ins Frauenmuseum. Die Mädchen sind sich nicht einig. Meine große Tochter will dann doch lieber zum Schloss, die anderen nicht. Wir diskutieren weiter. Alle haben schlechte Laune. Die Mädels, weil sie nicht wissen, was sie wollen. Wir, weil wir uns ärgern, dass wir uns immer weiter in bodenlose Diskussionen hineinziehen lassen.
Am Ende siegt das Frauenmuseum, aber wir Mütter sind unzufrieden: Hätten wir das alles nicht etwas eleganter hinbekommen müssen? Mehr Druck ausüben? Oder, im Gegenteil, den Mädchen alle Freiheit lassen? Wir haben das Gefühl, mit unserer unerfreulichen Endlosdiskussion die unbefriedigendste Variante gewählt zu haben. Aber vielleicht gehört auch so eine Erfahrung zu einem Urlaubskonzept wie unserem dazu.
Gruppendynamik
Jedenfalls wirkt die Gruppendynamik unter den Mädchen in zweierlei Richtung: Wenn sie etwas doof finden, ziehen sie sich zwar gegenseitig herunter, oft aber motivieren sie einander auch zu irgendwelchen Unternehmungen. Und natürlich ist es eine Bereicherung, Dinge zusammen mit Freundinnen und nicht nur in der Familie zu erleben. Macht definitiv mehr Spaß und fühlt sich cooler an. Außerdem ist es schön, sich hinterher gemeinsam zu erinnern.
Unser Südtirol-Experiment ist für mich eine Premiere: Zum ersten Mal haben wir bei der Reiseplanung versucht, ein besonders geeignetes Modell für das Reisen mit Teenagern zu finden. Ich persönlich würde dieses Experiment wiederholen, würde es allerdings etwas verkürzen, denn wenn vier nicht ganz ausgeschlafene Mädchen sechs Tage und sechs Nächte zusammen sind, ist das lang. Außerdem, und damit erfülle ich das gängige Klischee, würde ich beim nächsten Mal trotz aller Rücksicht auf Ferienfreiheiten klare Verhältnisse bei der Handynutzung verlangen. Die hat während unserer Reise massive Dimensionen erreicht, woran wiederum die Gruppendynamik nicht unschuldig war. Und wer nimmt mitten im Urlaub schon freiwillig den Kampf mit vier Tennagern auf?
2 Comments
Thore
Danke für die schönen Beiträge inkl. der Teenager- Befindlichkeiten. Der Trennungsschmerz bei getrennten Schlafstätten will bei uns noch ausgelotet werden. Ob es es auf ein 0:O hinausläuft ist bei 9 und 13 Jahre noch nicht sicher. Für unsere Herbstplanung eine schöne Hilfestellung.
Beste Grüße
Thore
Maria-Bettina Eich
Hallo, Thore, danke für Dein Feedback! Ich wünsche Euch eine schöne Reise mit Teen und Preteen. Wer 9 ist, will vielleicht noch gern in elterlicher Nähe schlafen… oder auch nicht! Geht es nach Südtirol?
Viele Grüße,
Maria