Zuletzt aktualisiert am 28. Februar 2018 um 19:55

Kunst gibt’s nicht nur im Museum, sondern auch online auf YouTube. Meine Töchter haben sich dieser Tage sehr über den Performance-Videoklassiker “Semiotics of the Kitchen” gefreut, den die Amerikanerin Martha Rosler 1975 aufgenommen hat – und über das Barbie-Remake dieses Films von 2011.

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Im Stil einer Kochshow führt Martha Rosler den Zuschauern ihres Sechs-Minuten-Videos Küchengeräte vor – in alphabetischer Ordnung von A bis T. Schon, als sie bei A wie Apron ihre Schürze anlegt, ist klar, dass hier etwas nicht stimmt. Kein Fernsehkoch würde je mit so versteinerter Miene vor sein Publikum treten wie diese Künstlerin. Und ganz offensichtlich ist sie auch weit entfernt von jeder hausfraulichen Freude über die Fähigkeiten ihres Equipments. Bei C wie Chopper hackt sie bereits ziemlich gewalttätig auf dem Untergrund herum, mit der Gabel sticht sie wild in die Luft, und auch für harmlosere Geräte wie die Hamburger Press findet sie eine ziemlich aggressive Handhabe. Als sie es mit Ice Pick und Knife zu tun bekommt. wird es gefährlich. Jetzt sticht sie zu.

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Die Buchstaben nach dem Tenderizer, dem Fleischklopfer, mit dem Martha Rosler gar nicht tender umgeht, stellt die Künstlerin mit ihrem eigenen Körper nach. Besondere Verzweiflung entlockt ihr das Y.

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Die feministische Kritik an der stereotypen Hausfrauenrolle ist für die Betrachter des Videos heute nicht mehr so aktuell wie in den Siebzigern, trotzdem begreift man auch jetzt noch den Impuls der Performance. Und vor allem erfreut man sich an seiner Umsetzung: an der Parodie auf Fernsehshows, der düsteren Miene Roslers, ihrer bedächtigen Aggression, ihren ruckartigen Bewegungen – und der Komik des Ganzen, die besonders in den Szenen greifbar wird, in dem Rosler den imaginären Inhalt von Schöpfgeräten einfach ins Off wirft.

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Nachdem man sich “Semiotics of the Kitchen” angesehen hat, sollte man sich noch ein kleines Dessert von 2011 gönnen. In “Semiotics of the Kitchen 2011 (Barbie Stop Motion)” überlegt Thressa Willett, was sich seit der Zeit des Original-Videos geändert hat – und stellt die Performance mit einer blonden Barbie nach.

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Barbie ist ja im Allgemeinen nicht dafür bekannt, dass sie Probleme mit der traditionellen Frauenrolle hat, und auch in hier lächelt sie glücklich inmitten ihrer amerikanisch-bunten Plastikküche. Doch als sie zum Messer greift, scheint sich ihr blauäugiges Strahlen sich in einen gefährlich stechenden Blick zu verwandeln.

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Der Feminismus der Siebziger dürfte Erfolg gehabt haben. Selbst die Barbie von heute ist keine perfekte Hausfrau mehr. Den Ice Pick wie einen Köcher um den Körper geschlungen, mit mittlerweile fast irre anmutendem Grinsen, versinkt sie am Ende im Chaos ihrer Küchengeräte – ein Bild der ernsten Martha Rosler aus dem Video von 1975 hinter sich an der Wand.

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