Zuletzt aktualisiert am 31. Januar 2020 um 10:46
Zwei weibliche Teenager und ihre Mütter: nicht gerade das klassische Zielpublikum für ein Automuseum. Aber wir wohnen nicht weit von Stuttgart und lassen uns seit Jahren von Bekannten erzählen, wie großartig das Mercedes-Benz Museum sei. Also haben wir es ausprobiert.
Auch Technik-Laien stehen nicht im Regen
Ganz kurz beneide ich ihn, den Vater, der seinem hüfthohen Sohn nonchalant den Aufbau des ausgestellten Vierzylindermotors erklärt. Das kann ich meiner Tochter bei unserem Besuch im Mercedes-Benz Museum in Stuttgart nicht bieten. Sowieso: Wenn jemand von uns beim Anblick des schönen historischen Motors etwas begreift, dann sie.
Aber das ist alles nicht schlimm, auch technisch unbedarfte Nicht-Auto-Freaks wie wir fühlen uns in diesem Museum gut aufgehoben. Immerhin beginnt der Ausstellungsrundgang sehr harmlos mit einem ausgestopften Pferd. Auf seinem Sockel ist ein Zitat von Kaiser Wilhelm II. zu lesen: “Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung.” Nach diesem Auftakt kommen die im Anschluss gezeigten Entwicklungsschritte, die zur Erfindung des Autos geführt haben, erst recht spektakulär herüber.
Zeitreise im Mercedes-Benz Museum
Sie waren ziemlich schnell, die Herren Daimler und Benz. Während sie in den 1880-er Jahren noch an den Grundlagen der Motorisierung von Fahrzeugen tüftelten, standen am Beginn des 20. Jahrhunderts bereits die ersten eleganten Reiselimousinen parat – stilecht mit Gepäck auf dem Dach.
Wir lassen uns vom nostalgischen Flair der frühen Automobile einfangen, bewundern ihren luxuriösen Komfort und das stilvolle Reisezubehör. Alles sieht aus wie in alten Filmen, aber hier ist es real und dreidimensional. Technisch mögen wir unterbelichtet sein, aber wir verfallen in einen träumerischen Zeitreise-Modus.
Vom Doppeldecker bis zum Mannschaftsbus
Bevor wir ins Mercedes-Benz Museum kamen, wusste keine von uns den besonderen Reiz von Bussen zu schätzen, doch hier werden wir sämtlich zu Omnibus-Fans.
Mich persönlich verzückt der Londoner Doppeldeckerbus von 1907, ein pittoresker Vorläufer des ikonischen roten London Bus.
Ziemlich begeistert sind wir alle von einem über und über dekorierten Omnibus, der ab 1969 durch die Straßen von Buenos Aires fuhr. Zugegeben, wir betrachten diese Dinge aus klassischer Mädels-Perspektive, aber dass es hier für Jungs über die Maßen viel zu sehen gibt, muss wohl nicht eigens erwähnt werden.
Und bei unserem nächsten Highlight kommen sowieso beide Geschlechter auf ihre Kosten: In den Mannschaftsbus, mit dem die deutsche Nationalmannschaft 1974 zu den WM-Spielen fuhr, können wir uns sogar hineinsetzen. Die Mädchen wundern sich über die Aschenbecher. Und meine Tochter seufzt mindestens zum zwanzigsten Mal: “Warum werden solche Fahrzeuge heute nicht mehr gebaut?”
Geschichtsstunde im Mercedes-Benz Museum
Während man sich auf spiraligen Rampen von der obersten bis zur untersten Ebene des Museums vorarbeitet, wird man von einer sehr kurzweiligen Timeline begleitet, die die deutsche – und nicht nur die deutsche – Geschichte von der Gründerzeit bis heute anhand signifikanter Ereignisse, Erfindungen und gesellschaftlicher Entwicklungen erzählt. Einige der angebotenen Texte lesen wir durch, bei anderen überfliegen wir die Headlines – aber es reicht, um ein gutes historisches Panorama im Kopf aufzubauen, vor dem die ausgestellten Fahrzeuge ihre zeitgeschichtliche Relevanz entfalten.
Wir erfreuen uns an der 50er-Jahre-Eleganz in der Wirtschaftswunder-Abteilung und finden interessant, was das Museum über den Umgang einer Automarke mit den aktuellen ökologischen Herausforderungen zu erzählen hat.
Autos erzählen Stories
Es gibt eine Menge zu schauen im Mercedes-Benz Museum. Zum Beispiel das Papamobil, das für den Papstbesuch von Johannes Paul II. in Deutschland im Jahre 1980 angefertigt wurde. Oder den Mercedes, den Prinzessin Diana 1991 kaufte. 1992 musste ihn sie auf Druck der Öffentlichkeit allerdings zurückgeben, denn man war empört, dass sie ein nicht-britisches Auto fuhr.
Ein wenig lieblos zieht unser Grüppchen an der Ausstellung der Mercedes-Rennwagen aus den verschiedenen Epochen vorbei. Wir haben viel gesehen, und dieses Highlight am Ende überlassen wir den Jungs. Obwohl so ein Rennsportauto von 1914 auch für uns ein cooler Anblick ist.
Tolle Architektur, kinderfreundliches Konzept
Den Bau des 2006 eröffneten Mercedes-Benz Museums hat das Amsterdamer Architekturbüro UNStudio entworfen – und damit einen großen Wurf gelandet. Über neun Ebenen erstreckt sich die spiralförmige Route durch das Museum; immer wieder öffnet sich der Blick auf andere Ebenen. Der Museumsrundgang wird nicht zuletzt dank der Räumlichkeiten zu einem entspannten und luftigen Parcours. Die komplexen Geometrie des Baus beschert uns ständig neue optische Überraschungen und ist eine Attraktion für sich.
Mit Kindern besucht sich das Mercedes-Benz Museum ganz unkompliziert. Wir beobachten viele Familien mit Nachwuchs vom Baby- bis ins Teenageralter. Interessantes zu sehen gibt es für jeden ab dem Bilderbuchalter, außerdem ist dies ein Museum, in dem man herumlaufen kann und nicht flüstern muss. Am Eingang werden kostenlose Audioguides verteilt, die auch in einer speziellen Kinder-Variante existieren. Häufig bietet das Museum Mitmach-Ausstellungen für Kinder an, deren Besuch im Eintrittspreis inbegriffen ist.
INFO: Mercedes-Benz Museum
Das Mercedes-Benz Museum liegt im Stuttgarter Stadtteil Bad Cannstatt. Von der S-Bahn-Haltestelle Neckarpark ist es in etwa fünf Minuten zu Fuß zu erreichen. Für die, die mit dem Auto anreisen, steht ein Museumsparkhaus zur Verfügung.
Der Eintritt kostet 10 Euro für Erwachsene, für Kinder bis 14 ist er frei, Jugendliche zahlen 5 Euro. Von Dienstag bis Sonntag ist das Museum von 9.00 bis 18.00 Uhr geöffnet, montags ist es geschlossen. Infos über Gruppentarife und Öffnungszeiten an Feiertagen sowie die Möglichkeit zur Online-Reservierung bieten die Besucherinformationen auf der Museums-Website.
2 Comments
Nell (Pigeon Pair and Me)
I’m not a big fan of cars, but I’m completely captivated by your description of the Mercedes Benz Museum. You’re right: the omnibus is a wonder to behold. I’d definitely come here – it looks as though they’ve made a great effort to recreate the history of cars in a way that’s appealing to all. Thank you so much for linking up with #CulturedKids – it’s great to have you on board!
Maria-Bettina Eich
Thank you, Nell. So sorry I’m only writing my posts in German! Like I said in the blog post, I’m no fan of cars myself, but the museum is worth visiting for everybody with an interest in history and everyday culture. Thanks for inviting me to participate in #Cultured Kids!