Zuletzt aktualisiert am 10. Juli 2018 um 19:25

Willard Wigan war kein glückliches Schulkind. Der 1957 geborene Junge aus Birmingham tat sich schwer mit dem Lesenlernen und wurde zum Gespött seiner Lehrer und Mitschüler. Wigan zog sich in eine Gegenwelt zurück, in eine winzige und phantastische Gegenwelt. Er baute sie selbst. Sein Ziel: Dinge zu machen, die so klein waren, dass niemand sie kritisieren konnte.

Kunst, die mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen ist

Die Mikroskulpturen, die Willard Wigan heute schafft, finden ihren Platz oft in einem Nadelöhr. Mit dem bloßen Auge sind sie nicht zu erkennen. Trotzdem kann man sie bis zum 29. Juni 2014 in der Ausstellung „Kleine Welten“ im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe anschauen: In zwei Räumen voller Mikroskope lassen sich eine auf einer Wimper tanzende Schere, das kleinste denkbare Rotkäppchen, filigrane Tiere und berühmte Bauwerke im Nano-Format durchs Okular betrachten.

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Das ganz große Staunen kommt, wenn man von der Seite, mit bloßem Auge, auf die Mikroskope schaut. Dann sieht man durch einen transparenten Schutz meist eine feine Nähnadel, in deren Öhr man allenfalls ein Pünktchen erkennt: ein Pünktchen, aus dem bei vielfacher Vergrößerung eine detaillierte Szenerie entsteht.

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Willard Wigan und seine erstaunliche Atemtechnik

Wigan, der seine oft aus Teppichfasern bestehenden Skulpturen immer am Mikroskop herstellt, hat sich eine erstaunliche Atemtechnik antrainiert, durch die es ihm gelingt, seinen Herzschlag zu verlangsamen und seine Arbeitsschritte zwischen zwei Herzschlägen auszuführen. Die Erschütterung eines Herzschlags kann die Präzision der winzigen Machwerke empfindlich beeinflussen.

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Auch sonst bringt Wigans Spezialgebiet einige Tücken mit sich: Einmal hat der Künstler Alice im Wunderland eingeatmet. Sie wird durch den Tunnel seiner Luftröhre in die Tiefen seiner Lunge gefallen sein wie Lewis Carrolls Alice durch den Gang des Kaninchenbaus, doch er hat ihr diese Ungehörigkeit nicht übel genommen. Eine andere Alice sitzt jetzt in einem von Wigans Nadelöhren mit dem verrückten Hutmacher beim Tee.

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Stücke zum Staunen

Willard Wigans Arbeiten mit ihren Märchen- und echten Prinzessinnen, mit Pop-Ikonen und miniaturisierten Reiseattraktionen sind keine Avantgardekunst, sondern Stücke zum Staunen. Zum Staunen über eine kunsthandwerkliche Fähigkeit, die wie Zauberei erscheint. In der Hamburger Ausstellung stehen viele Kinder auf eigens bereitgestellten Schemeln vor den Mikroskopen. Sie finden sich in guter Gesellschaft: Prinz Charles und Elton John gehören zu den Bewunderern und Besitzern von Wigans kopierungssicheren Werken. Die Queen bestellte für ihr Krönungsjubiläum eine Krone im Miniaturformat und schlug den Künstler zum Ritter.

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Alle Fotos: Kleine Welten, Mikroskulpturen von Willard Wigan, (c) Willard Wigan