Zuletzt aktualisiert am 14. September 2021 um 11:01
Als ich nach Brüssel fuhr, war mir bewusst, dass ich mich auf dem Weg in die europäische Comic-Hauptstadt befand. Was für ein absolutes Paradies für Bücherfreunde die belgische Kapitale allerdings ist, hatte mir niemand vorher erzähltt. Dafür sage ich es jetzt jedem und jeder, der oder die hier auf dem Blog vorbeikommt: Wer Bücher mag, kann in Brüssel in Endorphinen baden. Auch ohne französische oder niederländische Sprachkenntnisse.
Das Paradies liegt in Belgien: Cook & Book
So eine reelle, puristische Buchhandlung, in der es nichts als Bücher gibt, ist etwas Schönes. Aber Cook & Book im Westen Brüssels ist auch ziemlich schön. Man kann dort, wie der Name bereits insinuiert, Bücher kaufen und außerdem essen. Das ist auf den ersten Blick nichts Besonderes, denn große Buchhandlungen mit integrierten Cafés gehören mittlerweile zur Standardausstattung deutscher Innenstädte. Auf den zweiten Blick allerdings ist das Konzept von Cook & Book etwas extrem Besonderes.
Cook & Book, gelegen direkt neben der Metrostation Roodebeek, erstreckt sich über zwei Bauten, die sich im Halbrund um einen Platz legen. Jeder dieser Bauten beherbergt im Erdgeschoss eine Reihe ineinander übergehender Buchhandlungen. Das Ensemble beginnt mit Comics, führt durch Reise-, Kinder-, Koch- und Kunstabteilungen, verfügt über einen Plattenladen, ein englisches Buchgeschäft und über eine große französischsprachige Librairie. Außer in den beiden letzteren und bei den Kinderbüchern herrscht beim Angebot der Buchläden ein erfreuliches Sprachengemisch; englische Titel gibt es ebenso wie flämische und französische, wobei die französischen dominieren – immerhin sind wir im französischsprachigen Brüssel.
Jede Buchabteilung ist anders eingerichtet, jede auf ihre Weise stylisch, in jeder gibt es inmitten der Bücherregale Restaurant- oder Cafétische. An denen kann man sich nicht nur für einen Kaffee niederlassen, sondern auch für ein richtiges Abendessen. Draußen setzt sich das gastronomische Leben fort – an Tischen oder auf Liegestühlen mit Comic-Motiven.
Ich kann mir keinen schöneren Abend auf einer Solo-Städtereise vorstellen als den, den ich bei Cook & Book verbringe. Neben, vor und sogar über mir steht und hängt französische Literatur, von der Speisekarte im Comic-Design wähle ich ein solides Steak Tartare mit den obligatorischen belgischen Pommes und hippem Craft Beer. Ich brauche etwas Deftiges, denn meine Büchertüten werden auf dem Rückweg zum Hotel ziemlich schwer sein. Und ich beschließe nicht nur, bald wiederzukommen nach Brüssel, sondern auch, wieder mit dem Zug zu kommen. Das erspart mir jede Sorge über ein mögliches Übergewicht des Koffers.
Comic Walls: die Brüsseler Variante der Street Art
Während bei uns gelegentlich noch darüber gestritten wird, ob Comics als vollwertige Kulturgüter gelten dürfen, stellt man sich diese Frage in Belgien gar nicht. Auf ihre Comictradition sind die Belgier stolz, und die Hauptstadt des Landes zelebriert sie als zentralen Faktor des kulturellen Erbes. In Brüssel haben Tintin – im Deutschen ist das Tim von Tim und Struppi -, Spirou, die Schlümpfe und ihre Kollegen sogar höchst offiziell Einzug ins Stadtbild gehalten: mit den Comic Walls, einer Reihe von Wandgemälden, die dem Blick beim Spazierengehen immer wieder Comicmotive und -figuren offenbaren.
In den Büros der Touristeninformation gibt es einen kleinen Stadtplan mit den Comic-Murals zu kaufen; auch im Internet ist die Comic-Book-Route zum Download zu finden. Ich gebe mich mit den Wandbildern zufrieden, auf die ich zufällig stoße, und das sind im Stadtzentrum einige. Viele sind schmal und hoch im Format, weil sie an irgendeiner Ecke auf einer Seitenwand im dicht bebauten Brüssel prangen. Jedes neue Mural steigert die Entdeckerfreude; mit Kindern durch diese Comic-Stadt zu laufen, wäre die reinste Wonne.
Sprechblasen und Jugendstil: im Comic-Museum
Brüssel hat nicht nur Comic-Wände, sondern auch ein Comic-Museum. In diesem Gebäude treffen zwei Kulturphänomene aufeinander, auf die die Stadt extrem stolz ist. Das Belgische Comic-Zentrum nämlich residiert in einem der Bauten des Brüsseler Jugendstil-Architekten Victor Horta. Brüssel hat eine bedeutende Jugendstil-Tradition, deren berühmtester Vertreter Horta war. Das heutige Museumsgebäude wurde 1906 als Warenhaus eröffnet; seit 1989 fungiert der luftige Bau mit den floralen Formen und Glasdächern als Musuem für die Geschichte des Comics.
Das Comic-Zentrum ist ein Ort, den man sich in Brüssel auf keinen Fall entgehen lassen sollte. In drei Sprachen – Französisch, Niederländisch, Englisch – informiert es kompakt über Ursprünge und Geschichte des Comics und über seine wichtigsten Genres. Mit viel Anschauungsmaterial wird erklärt, wie ein Comic entsteht. Zu den Belgiern Hergé, dem Erfinder von Tim und Struppi, und Peyo, dem Vater der Schlümpfe, gibt es eigene Ausstellungsbereiche. Kinder freuen sich über die Vitrinen mit Schlumpfwelten und finden überall im Museum sympathische, kuriose und unterhaltsame Comic-Figuren. Auch, wer mit Comics nichts am Hut hat, kann hier auf seine Kosten kommen, zumal ein Spaziergang durch Brüssel so ziemlich jedem Besucher klar gemacht haben dürfte, dass der Comic für Belgien eine große Angelegenheit ist, über die man ruhig ein bisschen mehr erfahren sollte. Denn in der Innenstadt gibt es nicht nur die Comic-Wände, sondern auch eine überraschende Menge von Geschäften, die auf die gezeichneten Storys und ihre Figuren spezialisiert sind.
Die Buchhandlung Tropismes: der Brüsseler Spiegelsaal
In Brüssel gibt es ein spektakuläres Buchhandlungs-Ensemble mit Restaurantbetrieb, es gibt Comic-Läden an jeder Straßenecke – und einen hervorragenden im Comic-Museum -, aber es gibt auch herkömmliche Buchhandlungen. Eine der berühmtesten und vermutlich die schönste ist Tropismes, ein zweistöckiges Geschäft mit eleganen Säulen und Spiegeln, die die Bücherwelten optisch ins Unendliche fortführen.
Tropismes liegt in der Galerie des Princes, einem Seitenarm der Galeries Royales Saint-Hubert. Diese elegante Einkaufspassage wurde 1847 eröffnet, war eine der ersten großen europäischen Ladengalerien und ist bis heute eines der architektonischen Highlights von Brüssel. Tropismes führt vornehmlich französischsprachige Bücher, aber eine Stippvisite lohnt sich auch für Buchliebhaber, die nicht Französisch lesen – weil’s so schön ist.
Brüssel für Buchliebhaber: INFO
Cook & Book, eine Kombination aus einer Reihe von Buchhandlungen mit Restaurants, befindet sich westlich des Zentrums von Brüssel und ist mit der Metro sehr einfach zu erreichen. Man fährt bis zur Station Roodebeek und hat von dort aus einen Fußweg von weniger als fünf Minuten. Die Öffnungszeiten variieren je nach Wochentag und den zwei Blöcken, aus denen sich Cook & Book zusammensetzt. Genaue Infos finden sich auf der Website. Wenngleich die französischsprachigen Bücher überwiegen, gibt es sowohl einen englischen Buchladen bei Cook & Book als auch diverse englische und niederländische Ausgaben in den unterschiedlichen thematischen Abteilungen.
Die Brüsseler Comic-Book-Route führt an zahlreichen Wandgemälden mit Comic-Motiven vorbei. Pläne gibt es sowohl in der Touristeninformation als auch im Internet.
Das Belgische Comic-Zentrum lässt sich von Brüssels zentralem Platz, der Grand-Place, in etwa zehn Minuten zu Fuß erreichen. Das Museum ist täglich von 10.00 bis 18.00 Uhr geöffnet. Der Eintrittspreis beträgt für Erwachsene 8,00 Euro, für Kinder zwischen 6 und 11 Jahren 3,50 Euro und für Schüler und Studenten zwischen 12 und 25 Jahren 5,00 Euro.
Die Buchhandlung Tropismes ist in der Galerie des Princes gelegen, einem Seitenarm der Einkaufspassage Galeries Royales Saint-Hubert im Zentrum von Brüssel. Öffnungszeiten sind montags bis donnerstags von 10.00 bis 18.30 Uhr, freitags von 10.00 bis 19.30 Uhr, samstags von 10.30 bis 19.00 Uhr und sonntags von 13.30 bis 18.30 Uhr.
2 Comments
Angela
Liebe Maria,
Wenn ich nochmal nach Brüssel komme – einmal habe ich dort die Politik besucht – dann nehme ich mir auf jeden Fall diese schöne Seite der Stadt vor. Das sind alles wunderschöne Buchläden und Gebäude. Das Comicmuseum sieht auch so toll aus, und erst recht die geballte Ladung Comic Walls. Wunderschön!
Liebe Grüße
Gela
Maria-Bettina Eich
Liebe Gela,
hoffentlich kommt es bald dazu! Ich kann mir so einen Trip auch mit Kind sehr gut vorstellen – die Comic-Adressen sind sowieso kindergeeignet, ein Essen in einer Buchhandlung dürfte auch für Kids lustig sein, und ansonsten gibt es ja noch viele tolle andere Dinge, die man in Brüssel unternehmen kann!
Liebe Grüße,
Maria