Zuletzt aktualisiert am 17. August 2021 um 18:38
Wir wollen erstmals nach Lappland, unbedingt wieder nach Finnland und auf jeden Fall nochmal nach Stockholm. Zum Glück liegt der Bottnische Meerbusen so geschickt und bietet so ideale Fährverbindungen, dass wir im Verlauf von zwei Wochen in den Genuss vieler verschiedener Skandinavien-Facetten kommen.
1. SCHWEDISCH LAPPLAND
Der Duft von Schweden
Der Flughafen von Luleå duftet nach Zimtschnecken. Meine Tochter ist selig: “So riecht Schweden! Genau so muss Schweden riechen!” Und ich denke: Ja, genau deshalb ist es richtig, mit Kindern zu reisen – trotz aller Sorgen bezüglich der Umweltbelastungen durch den internationalen Tourismus. Wie kostbar ist es, zu wissen, dass es in einem anderen Land nach Zimtschnecken riecht! Und da das Kind mittlerweile bereits 14 Jahre alt ist, nimmt es auch andere Dinge wahr, die für das unvergleichliche Skandinavien-Feeling sorgen: “Der Fußboden ist aus Holz! Wie gemütlich!” Oh ja, und in dem kleinen Flughafencafé, aus dem der Zimtschneckenduft kommt, stellen riesengroße Grafiken auf der Wand den schwedischen Wald dar: Naturliebe im nordisch-coolen Stil. Wir waren vier Jahre nicht in Schweden. Wie dumm von uns!
Jetzt aber sind wir da. Unser Mietwagen ist ein Volvo, und der Flughafenparkplatz, auf dem er uns erwartet, besteht aus ein bisschen Asphalt mitten im Wald. Erstmals sind wir in Lappland. Die Luft ist weich und – dank der Nadelbäume – würzig, das Licht hell und irgendwie transparent.
Treehotel: Übernachten zwischen Bäumen
Wir haben einen konkreten Grund, aus dem wir Luleå in Schwedens Norden anfliegen – abgesehen davon, dass wir schon immer mal nach Lappland wollten. Dieser Grund heißt Treehotel und ist für Architektur- und Skandinavienfreaks kein Geheimtipp mehr. Im Dörfchen Harads, knapp 90 Kilometer nordwestlich von Luleå, steht seit 2010 ein Hotel mit sieben architektonisch einzigartigen Baumhäusern mitten im Wald. Das Treehotel belegte seit langem einen Platz weit oben auf der Bucketlist meiner Architektur- und Reiseträume und hat einen eigenen Artikel auf diesem Blog bekommen. Hier jedoch ganz kurz das Fazit: Ja. Der Weg lohnt sich. Der Preis ebenfalls, so schmerzhaft er für uns auch ist. Noch nie bin ich so schlagartig in ferienhafte Tiefenentspannung geraten wie während der zwei Tage, in denen wir mitten im Wald leben. Für unsere Tochter – wir reisen in diesem Sommer nur mit einer, die andere zelebriert ihre frische Volljährigkeit mit eigenen Projekten – ist das Erlebnis Baumhaus sowieso grandios, und mein Mann findet die Kombination von Natur und Architektur ziemlich spektakulär.
Unsere allerersten Lappland-Eindrücke
Wir verbringen unsere zwei Treehotel-Tage mit dem Genuss des Ortes und mit einem Ausflug nach Jokkomokk. Das Städtchen gilt als Hotspot der samischen Kultur; außer dem Sami-Museum Ájtte haben allerdings alle Anlaufpunkte, über die ich im Vorfeld gelesen hatte, geschlossen. So richtig in Fahrt kommt Jokkmokk wohl im Februar, wenn dort der traditionelle Wintermarkt stattfindet.
Ohnehin ist die Landschaft zwischen Harads und Jokkomokk das Beste an dieser Tour. Noch nie waren wir nördlicher, und unsere ersten Eindrücke von der arktischen Natur sind ergreifend. Klarheit, Licht, Stille und Weite prägen das Bild und überzeugen zumindest mich, dass ich das Erlebnis Lappland noch vertiefen will. Im übrigen ist es warm hier. Das Thermometer zeigt nur wenig über 20 Grad, aber die trockene Luft fühlt sich hochsommerlich an.
2. PER FÄHRE VOM SCHWEDISCHEN UMEÅ INS FINNISCHE VAASA
Die die relativ große nordschwedische Stadt Umeå, die nächste Station unserer Reise, wird ebenfalls noch zu Lappland gezählt – obwohl sie 270 Kilometer südlich von Luleå liegt. Umeå ist keine Postkartenschönheit, aber ein sympathischer Ort mit hübschen Ecken. Außerdem liegt die Stadt direkt am Bottnischen Meerbusen und besitzt einen Hafen, von dem aus Fähren ins finnische Vaasa gehen.
In Umeå geben wir unseren Mietwagen ab und fahren als autolose Passagiere günstig mit der Wasaline nach Finnland. Viereinhalb Stunden dauert die online bequem von Deutschland aus gebuchte Überfahrt, deren größte Attraktion für uns das Büfett ist. Es gibt Heringe, Lachs, Krabben ohne Grenzen, verschiedene warme Speisen und paradiesische Desserts. Am Ende sind wir ziemlich sicher, dass an die Mousse au chocolat von der Wasaline so schnell nichts herankommt.
Während wir mit unserer Fokussierung aufs Essen ein gewisses Naturbanausentum an den Tag legen, erfreue ich mich zwischendurch doch immer wieder an der Schärenlandschaft, durch die wir fahren. Vor Umeå liegen viele bewaldete Inselchen, und auf der finnischen Seite durchqueren wir das Kvarken-Archipel, das aus einer unzählbaren Fülle steiniger Schären besteht.
3. AN DER FINNISCHEN WESTKÜSTE
Im Reich der finnischen Zweisprachigkeit
In Vaasa treffen wir unsere finnische Freundin, die in Deutschland lebt, jetzt aber Sommerurlaub in der Heimat macht. Sie führt uns in der freundlichen Innenstadt mit ihren vielen gelb gestrichenen Gebäuden herum – und sie ärgert sich. Über das Hinweisschild eines neuen Restaurants, das in großen schwedischsprachigen Lettern gehalten ist – während die finnische Übersetzung in kleineren Buchstaben darunter steht. Ja, Finnland ist offiziell zweisprachig; es gibt eine schwedischsprachige Minderheit, die heute allerdings nicht einmal mehr sechs Prozent der Bevölkerung einschließt. Und ja, spürbar wird der Einfluss des Schwedischen vor allem an der Westküste – immerhin ist man hier nur durch den Bottnischen Meerbusen vom Nachbarland getrennt. Klingt alles erstmal unproblematisch, aber unsere Freundin, die bereits im Rentenalter ist, kann viele Geschichten erzählen vom sozialen Gefälle zwischen den wohlhabenderen Finnlandschweden und den ärmeren finnischen Finnen. Zum einen stand Finnland jahrhundertelang unter der Herrschaft der Schweden, zum anderen hatten die mächtigeren westlichen Nachbarn kulturell von jeher starken Einfluss auf Finnland. “Und natürlich war man neidisch auf die Schweden, weil sie keinen Krieg gehabt hatten”, sagt unsere Freundin in Anspielung auf den Zweiten Weltkrieg. Wir ahnen, dass es einige Abgründe gibt im Verhältnis zwischen diesen beiden nordischen Ländern, die wir aus touristischer Perspektive als sympathische Reiseparadiese wahrnehmen.
Ähnlichkeiten und Unterschiede: Nachbarschaft am Bottnischen Meerbusen
In Helsinki war ich oft, mit meiner Familie habe ich die finnische Südküste und Nordkarelien bereist, und meine ganz spezielle Finnlandliebe hat massiven Niederschlag hier auf dem Blog gefunden. Doch diesmal, als wir Finnland vom Bottnischen Meerbusen her ansteuern, sieht es noch einmal ganz anders aus als bei unseren anderen Reisen. Immer wieder kommen wir durch Städte, in deren Architektur sich behaglicher hölzerner Klassizismus mit sozialistisch anmutendem Betonbrutalismus abwechselt. Einerseits sieht Finnland dem gegenüberliegenden Schweden an der Westküste ähnlicher als in den anderen Gegenden, die wir kennen. Andererseits fällt uns der Unterschied zwischen den beiden Ländern auf dieser Route so deutlich auf wie nirgends zuvor.
Schweden, wenngleich traditionell auch nicht gerade wohlhabend, erscheint uns von hier aus ein bisschen wie der reiche Onkel auf der anderen Seite des Teichs. Wahrscheinlich vereinfachen wir die Dinge ganz unerhört, aber wir fühlen uns ein wenig, als hätten wir erst eine gut frisierte Dame (natürlich blond) besucht, um danach bei einem Heavy-Metal-Rocker (mit Glatze, aber genetisch auch blond) zu Gast zu sein.
Wir nehmen einen Mietwagen, verbringen einige Nächte in einem Ferienhaus bei der westfinnischen Stadt Pori, von der aus wir diverse Ausflüge unternehmen, und fahren dann gen Süden nach Naantali bei Turku, wo unsere Tochter nach acht Jahren unbedingt noch einmal die Muminwelt besuchen will: den Themenpark, der den Mumintrollen aus den Romanen der finnischen Schriftstellerin Tove Jansson gewidmet ist und den sie mit sechs Jahren unvergleichlich herrlich fand. Wir stellen fest, dass er auch bei einschlägig interessierten Vierzehnjährigen noch funktioniert.
4. UND WIEDER ÜBER DEN BOTTNISCHEN MEERBUSEN: VON TURKU NACH STOCKHOLM
Schließlich nehmen wir wieder das Schiff über den Bottnischen Meerbusen. Der ist hier im Süden wesentlich breiter als im Norden, sodass die Überfahrt von Turku nach Stockholm gut elf Stunden dauert.
Diese Stunden gehören zu den herrlichsten unserer Reise. Für schlanke 118 Euro fahren wir zu dritt – ohne Auto – von Finnland nach Schweden: in einer vorab online gebuchten Premiumkabine der Viking Line mit Bett, Dusche, Ausziehsofa, Getränken und grandioser Sicht. Wir durchqeren die westfinnischen Schären (siehe Bild ganz oben), die Åland-Inseln, die Schären vor Stockholm. Essen Unmengen am Büffet, dessen nordischen Köstlichkeiten wir jetzt, bei unserer zweiten Fährfahrt zwischen Finnland und Schweden, schon etwas gelassener gegenüberstehen.
Vor allem aber sehen wir Finnen Tango tanzen. Das tun sie gern. Finnland ist weit weg von Argentinien, aber den Tango lieben die Finnen. Einen melancholischen Tango. Und auf finnischen Fähren, das haben wir schon einmal erlebt, spielen gerne Bands, deren langhaarige Sänger eine Menge Schmelz in der Stimme haben und die, wer weiß, möglicherweise einen Teil der finnischen Seele verkörpern. Schiffspassagiere, vornehmlich solche gesetzteren Alters, tanzen Tango zu wehmütigen Liedern, die von Dingen wie der “aurinko”, der Sonne, sprechen. Langsam. Mit einer bedächtigen Hingabe, die einem das unfinnische Herz brechen könnte.
5. STOCKHOLM
Irgendwann erscheint Stockholm vor unserem Kabinenfenster. Wir haben noch fünf Nächte vor uns und damit eigentlich einen vollwertigen Städtetrip. Unsere Tochter wird hinterher sagen, Stockholm sei für sie das Highlight der Reise gewesen. Zusammen mit den Mumins und den Zimtschnecken. Über unser Teenager-freundliches Programm in der schwedischen Hauptstadt werde ich noch ausführlich schreiben. Fürs erste muss ein Hinweis auf unsere vor Jahren ermittelten Stockholmer Lieblingsentdeckungen mit Kindern auf den Spuren Astrid Lindgrens reichen.
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