Zuletzt aktualisiert am 14. September 2021 um 10:56
Kakao und Kaffee, Zimt und Zucker: Alles nicht von hier, alles aus fernen Weltregionen. Lauter Lebensmittel, auf die wir nicht verzichten möchten, die aber irgendwann zum ersten Mal aus fremden Ländern zu uns kamen. Oft wurden sie unter abenteuerlichen Bedingungen per Schiff in den Hamburger Hafen transportiert, in der Speicherstadt gelagert und von dort weiterverkauft. Heute sind die Transportbedingungen nicht mehr ganz so abenteuerlich, und seitdem sich der Containerverkehr durchgesetzt hat, riecht es in der Speicherstadt nur noch an wenigen Ecken nach Kaffee und Gewürzen. Aber diese Ecken und ein paar andere Adressen, bei denen man der Herkunft der weitgereisten Nahrungsmittel in Hamburg heute nachspüren kann, lohnen sich – gerade mit Kindern und, wie wir jetzt feststellen konnten, sogar mit sonst gern mal unmotivierten Teens.
I. Spicy’s Gewürzmuseum
Spicy’s Gewürzmuseum ist mittlerweile ein kleiner Klassiker unter den Anlaufpunkten in der Speicherstadt. Einen ersten Hauch von Gewürzduft erhaschen wir schon, als wir um die Ecke der Straße Am Sandtorkai biegen, in der Spicy’s liegt. Und zwar in einem der alten Speicherstadt-Lagerhäuser, wodurch man mit dem Museumsbesuch zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt: Einerseits sind da die Gewürze, andererseits hat man die Gelegenheit, ein altes Speicherstadt-Lagerhaus von innen zu sehen. Beziehungsweise von innen hinauszusehen.
Im Grunde besteht das Gewürzmuseum aus nur einem Raum, aber dieser Raum reicht aus für eine sinnliche Weltreise. Spicy’s ist ein Erlebnismuseum, wie man es sich nur wünschen kann: Auf Schritt und Tritt gibt es etwas Neues zu riechen und anzufassen. In offenen Schalen liegen die Gewürze da, damit man sie an die Nase führt. Oder lagern in offenen Säcken, in die man hineingreifen darf. Zwischendurch gibt es immer wieder kleine Ausstellungssektionen, die von der Herkunft der Gewürze und dem Handel mit ihnen erzählen – ebenso wie antike Gewürzmühlen, alte Verpackungen und einen nachgebauten historischen Kolonialwarenladen.
Wir haben selten in einem einzigen Museumsraum so viel Zeit verbracht – gutgelaunt, ständig gespannt auf den nächsten Eindruck, großartig unterhalten und dabei unaufdringlich belehrt. Als meine ältere Tochter im Kindergartenalter war, bin ich schon einmal mit ihr in Spicy’s Gewürzmuseum gewesen; auch damals hat sie es genossen. Wobei man keine Kinder braucht, um etwas vom Besuch dieses Museums zu haben. So oder so: Spicy’s ist für mich als Exil-Hamburgerin eine der besten Adressen, wenn man Hamburg mit Kindern erkunden will – und es passt auch auf die klassische Familienroute, denn das berühmte und wunderbare Miniatur Wunderland, das sich zu Recht zum absoluten Highlight gemausert hat, liegt nur wenige Gehminuten vom Gewürzmuseum entfernt (mehr zur Routenplanung am Ende des Artikels.)
II. Speicherstadt Kaffeerösterei
Unsere zweite Speicherstadt-Adresse – noch näher dran am Miniatur Wunderland – ist die Speicherstadt Kaffeerösterei. Hinter ihren roten Backsteinmauern verbirgt sich ein großes Café mit empfehlenswerten Kuchen, leichtem Lagerhallen-Feeling und einem Ausschank, an dem man spektakuläre Kaffee-Variationen bekommt – und zwar ganz ohne Sirups und Baristas im Coffeeshop-Stil. Hier geht es um die natürlichen Aromen, die die Kaffeebohnen der unterschiedlichen Anbauregionen hergeben: frisch gebrüht, unverfälscht und respektvoll vermittelt.
Gleichzeitig ist die Speicherstadt Kaffeerösterei eine Schaurösterei, in der man zuschauen kann, wie die Bohnen geröstet werden. Das macht nicht nur Kaffeetrinkern Spaß, sondern auch Kindern, für die es im übrigen eine ausreichende koffeinfreie Getränkeauswahl gibt. Unter ihrem eigenen Markennamen verkauft die Rösterei viele verschiedene Kaffeesorten von hoher Qualität: perfekte Souvenirs oder Mitbringsel. Unseren Töchtern – eine ein ausgemachter Kaffee-Fan, eine im Pre-Kaffee-Alter – gefällt dieser Ort, an dem sich Café-Atmosphäre und Hafen-Flair auf geschickt inszenierte Weise verbinden. Uns Eltern auch, aber ich bin vor allem glücklich, den Kaffeeduft wiederzufinden, der während meiner Kindheit noch ganz leicht über den Kanälen der Speicherstadt hing.
III. Chocoversum
Auf dem Weg zu unserer dritten Station an diesem Tag verlassen wir die Speicherstadt, sind aber nicht länger als eine Viertelstunde zu Fuß unterwegs. Gegenüber vom Chilehaus liegt das Chocoversum, ein Schokoladenmuseum von der Firma Hachez. Hachez hat seinen Sitz zwar in Bremen, aber da Hamburg die touristisch relevantere der beiden Hansestädte ist, wurde das Chocoversum hier eröffnet, im Backsteinparadies zwischen historischen Kontorhäusern. Das Backsteinparadies interessiert allerdings höchstens mich, die Töchter wollen ins Schokoparadies, in dem sie vor Jahren bereits einmal waren und das sie seither ihrem Vater zeigen wollen. Heute ist der Tag, und es ist mindestens so gut wie damals.
Nach einem ersten Stopp bei einem Hachez-Schokoladenbrunnen werden wir durch die Welt der Kakaobohne geführt, erfahren etwas über ihre Herkunft und ihren Transport und betreten dann das Highlight der Tour: die Schokowerkstatt, in der jeder seine eigene Hachez-Tafel kreiert. Sie besteht aus – wahlweise – zunächst flüssiger Bitter- oder Vollmilchschokolade und wird individuell garniert mit Gewürzen, Rosinen, Nüssen, Flocken und Zuckerzeug. Am Ende kommen die Tafeln in einen Kühlschrank, und die Tour geht weiter.
Jetzt wird probiert. Von der Kakaobohne bis zum fertigen Hachez-Täfelchen bekommen wir jedes Stadium der Schokladenherstellung zu sehen und zu schmecken. Dieses Tasting ist grandios; Schritt für Schritt erlebt unsere Zunge, wie aus der bitteren Bohne die Conche wird: die Schokoladenmasse, die nach bis zu 72 Stunden ständigen Wälzens in der Conchiermaschine eine angenehme Geschmeidigkeit besitzt. Am Ende der Tour fühlen wir uns schwer und zufrieden: eine endlich mal schokoladensatte Familie von Schokojunkies, die vier selbstgemachte Hachez-Tafeln in der Tasche und im Kopf neue Ehrerbietung gegenüber der Kakaobohne hat. Denn, wie uns jetzt ganz klar geworden ist: Kakao ist ein Luxus, den wir schätzen und genießen sollten, anstatt ihn schnell zu verschlingen.
IV. Bonscheladen
Unsere vierte kulinarische Hamburg-Station besuchen wir nicht auf der Speicherstadt-Route. Sie ist ein Familien-Evergreen, für den wir immer mal wieder mit Wonne den Weg ins coole Ottensen auf uns nehmen. Der Rohstoff, ohne den im Bonscheladen nichts ginge, ist Zucker. Was sie daraus in dem Laden machen, ist spektakulär und hat dem kleinen Geschäft mittlerweile den Status einer Kult-Adresse verschafft.
Zeitgeistig ausgedrückt: Der Bonscheladen ist eine Lutschbonbon-Manufaktur. In Handarbeit werden hier kleine Bonbons – auf Norddeutsch “Bonsche” – in allen Aromen hergestellt. Im Mund entpuppen sie sich als etwas, was man von Lutschbonbons sonst kaum gewöhnt ist: als explodierende Geschmackswunder, bei denen jede Sorte eine neue aromatische Überraschung bietet. Unsere familiären Favoriten sind Pflaume-Zimt, Traube, die Cola-Bonsche im Design von Fußbällen sowie die Brausebonbons, die nicht nur “Ahoi” heißen, sondern auf denen dieses Wort außerdem in winzigen Buchstaben zu lesen ist. Denn die Optik ist neben dem Geschmack die zweite Attraktion der Bonsche. Manche zeigen die Früchte, nach denen sie schmecken, aber am allerschönsten sind die hanseatischen Motive: Anker, Fische, das Hamburger Wappen. Hin und wieder, wenn unsere Kinder zu lange auf die nächste Reise zu den Großeltern in Hamburg warten müssen, bestellen wir online. Unser nächstes Projekt allerdings ist ein Besuch bei der täglich einmal stattfindenden Schauproduktion der Bonsche.
Kleines Extra: Das Speicherstadt-Spiel
Unsere Töchter haben die Speicherstadt bereits des öfteren besucht; diesmal allerdings war ich überrascht über eine gewisse Fachkenntnis, die sie an den Tag legten. Kein Wunder: Als notorische Nicht-Spielerin war ich nie dabei, wenn am Wohnzimmertisch alle um das Gesellschaftsspiel “Die Speicherstadt” von Eggertspiele saßen. Das Ziel: In einer Welt von Schiffen, Kaffee und Gewürzen, von Lager- und Kontorhäusern sowie zerstörerischen Feuern möglichst geschickt zu handeln. Wird von meinen Töchtern und von meinem Mann wärmstens empfohlen und ist für zwei bis fünf Spieler ab acht Jahren gedacht.
HAMBURG MIT KINDERN KULINARISCH – INFO:
Spicy’s Gewürzmuseum, die Speicherstadt Kaffeerösterei und das Chocoversum sind alle in oder nahe bei der Speicherstadt gelegen und lassen sich daher perfekt an einem Tag besuchen. Auch die lichtlose Erlebniswelt Dialog im Dunkeln, das Miniatur Wunderland oder eine Hafenrundfahrt von den Landungsbrücken aus kann man gut mit den kulinarischen Adressen verbinden. Alle diese Adressen eignen sich wunderbar für Hamburg-Trips mit Kindern. Die Speicherstadt ist am besten von den U-Bahn-Haltestellen Baumwall, Rödingsmarkt oder Überseequartier zu erreichen; für das Chocoversum bieten sich die Stationen Steinstraße und Messberg an. Auch von den Landungsbrücken und vom Hauptbahnhof lassen sich sämtliche Adressen zu Fuß ansteuern.
Der Bonscheladen hat seinen Sitz in Ottensen; etwa zehn Gehminuten vom S-Bahnhof Altona entfernt. Ihn zu besuchen, lohnt sich besonders, wenn man Lust hat, sich außerdem die umliegenden Straßen voller Street Art, origineller Läden und netter Cafés anzuschauen.
Spicy’s Gewürzmuseum
Am Sandtorkai 34 in der Speicherstadt; geöffnet dienstags bis sonntags von 10.00 bis 17.00 Uhr. Kinder von vier bis 14 zahlen € 2,00 Eintritt, Erwachsene € 5,00. Die Entrittskarten sind sehr nützlich: für Kinder bestehen sie in einer Tüte Gummibärchen, für Erwachsene in einer Tüte Pfeffer!
Speicherstadt Kaffeerösterei
Kehrwieder 5 in der Speicherstadt, geöffnet täglich von 10.00 bis 19.00 Uhr.
Cocoversum
Meßberg 1, gegenüber der Südflanke des Chilehauses. Täglich geöffnet; Führungen finden in halbstündigen Abständen statt. Die genauen Führungstermine für jeden Tag lassen sich auf der Website nachlesen. Im voraus kann man über die Website oder im Chocoversum selbst buchen; wir hatten allerdings bei unseren zwei Spontanbesuchen keine Probleme, Karten für die jeweils nächste Führung zu bekommen. Der Eintrittspreis beträgt für Erwachsene zwischen 13,00 (Frühbucher; online) und 19,00 Euro (Tagespreis), für Kinder von sechs bis 17 liegt er zwischen 10,00 (Frühbucher) und 12 00 Euro (Tagespreis). Bis zum Alter von fünf Jahren sind Kinder frei, zahlen aber 4,50 Euro, wenn sie eine Tafel Schokolade kreieren möchten. Eine Karte für eine Familie mit einem Erwachsenen, zwei Kindern und einer beliebigen weiteren Person kostet zwischen 36,00 (Frühbucher) und 50,00 Euro (Tagespreis). Kein billiger Besuch, aber man bekommt viel Schokolade für sein Geld!
Bonscheladen
Friedensallee 12, Hamburg-Altona/-Ottensen. Geöffnet dienstags bis freitags 11.00 bis 18.30 Uhr, samstags 11.00 bis 16.00 Uhr. Achtung: Montags ist geschlossen! Darauf muss ich hinweisen, denn wir standen schon zweimal montags vor geschlossenen Türen… Die Schauproduktion findet dienstags bis freitags um 16.15, samstags um 14.30 Uhr für etwa eine Stunde statt – nur bei sehr feuchtem oder heißem Wetter fällt sie aus.
3 Comments
Sabine
Liebe Maria-Bettina!
Das sieht mal wieder sehr inspirierend aus und ins Chocoversum bekomme ich meine Jungs bestimmt auch. Hauptsache, es heißt nicht “Museum”. Als Exilbremerin wundere ich mich natürlich schon etwas, dass das Chocoversum ausgerechnet in Hamburg ist. Den Fabrikverkauf hat Hachez ja aber wohl in Bremen gelassen… Hachez Schokolade ist göttlich. Ich liebe die Maracaibo:-)
Viele Grüße von Sabine
Maria-Bettina Eich
Liebe Sabine,
das Chocoversum kann man sehr gut ohne den Begriff “Museum” verkaufen; mir ist das übrigens sogar bei Spicy’s Gewürzmuseum gelungen: Ich habe einfach gesagt, wir gehen in dieses Gewürzhaus, und als die Töchter das schreckliche M-Wort lasen, war der Duft schon unwiderstehlich. Also, wenn Du Exilbremerin bist, dann darfst Du Dich gerne etwas darüber echauffieren, dass Hachez sein Chocoversum opportunistisch in der größeren Hansestadt eröffnet hat! Ja, Hachez ist wunderbar!
In diesem Sinne,
Maria-Bettina