Zuletzt aktualisiert am 28. August 2017 um 18:55

Wir befinden uns in Schweden, auf unserer späten Sommerreise. Unser Ferienhaus ist ein alter Bauernhof, in dem niemand WLAN installiert hat. Jeden Tag verlangen unsere Kinder nach einem Cafébesuch mit Internetzugang – nicht zuletzt, um ihre Urlaubsbilder auf Instagram zu posten. Aus Reisen ist Instatravel geworden. Haben wir das gewollt?

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Wenn dies der Untergang des Abendlandes ist, dann bin ich mitschuld. Oder zumindest halb. Die andere Hälfte geht an meinen Mann, der mir schon seit einiger Zeit sagt, wer im Internet aktiv sei wie ich mit meinem Blog, der brauche auch Instagram. Och nö, dachte ich lange, nicht Instagram. Das hatte nicht zuletzt damit zu tun, dass mich diese Filter-Optik nervt, die so im Trend ist, dass man sie jetzt auch auf allen möglichen Nicht-Instagram-Bildern findet.

Aber dann kamen irgendwann in einem arbeitsreichen Sommer ein paar extrem ruhige Tage, und um mal zu sehen, wie es so geht, postete ich ein Bild von einer wahrhaft antiken Steckdose. Mit Filter; sah einfach besser aus. Sofort kamen Likes. Für eine Steckdose! Ich postete Hamburger Kontorhäuser. Die bekamen noch mehr Likes. Und ich hatte ein neues Spielzeug.

Natürlich war ich Spätzünder, selbst innerhalb unserer Kleinfamilie. Das große Kind war längst auf Instagram und fand es eher uncool, dass ich mich da jetzt auch aufhielt. Ist auch irgendwie brutal: Facebook, Whatsapp, Instagram – überall sind die Kids zuerst, dann kommen die Eltern auf den Trichter, und was eben noch hip war, ist jetzt Familienthema, sodass die Kids etwas Neues brauchen.

Bei uns allerdings brauchte erstmal das jüngere Kind Instagram. Und dann saßen wir da an unseren Sommerabenden: kleines Kind, Mutter, großes Kind, außerdem die Freundin der älteren Tochter, die ein paar Ferientage bei uns verbrachte. Posteten Bilder auf Instagram, liketen uns gegenseitig, erprobten Hashtags und hatten Spaß. Ich war nicht sicher, ob dieser Spaß pädagogisch korrekt war: Vier Personen, die miteinander kommunizierten, indem sie in kleine rechteckige Geräte hineinschauten? War diese Form von Sozialleben nicht ungefähr genau das, was ich nie gewollt hatte?

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Und jetzt diese Reise. Wir kommen bei unserem Ferienhaus an, das sich als ein zauberhafter Mühlenhof mit zahllosen Ecken und Winkeln entpuppt, innen eingerichtet im schönsten Schwedenstil, draußen umgeben von einem wildromantischen Garten mit alter Mühle und Gewächshaus. Die Kinder rennen herum, reißen alle Türen auf, schauen in jeden Winkel – und fotografieren, um die Bilder auf Instagram zu posten. Nun kann man ja zweifelsohne besonders intensive Eindrücke bekommen, wenn man die Dinge ohne Kamera vor dem Auge wahrnimmt. Aber meine Kinder sind nicht in dem Alter, in dem man zur kontemplativen Betrachtung neigt. Weshalb die Motivsuche für Instagram dazu führt, dass sie mit besonderer Aufmerksamkeit dabei sind.

In den nächsten Tagen geht es nach demselben Schema weiter: Die Kinder sind mit einer Art Instagram-Blick unterwegs. Das kann man einseitig finden. Aber man kann darin auch etwas Kreatives sehen; eine Möglichkeit, sich eine persönliche Perspektive auf die Dinge zu verschaffen und sie dann durch Auswahl und Bearbeitung für die Instagram-Postings noch einmal von eigener Hand zu interpretieren. Im Augenblick sehe ich das so – nicht zuletzt, weil ich Instagram selbst gerade so unterhaltsam finde. Irgendwann wird bei mir vermutlich wieder der Ärger über die suchtartige Nutzung der kleinen digitalen Geräte in den Vordergrund treten. Aber, wie der Kulturwissenschaftler Wolfgang Ullrich neulich formulierte: Bilder sind im Begriff, zu einem zentralen Mittel der Kommunikation zu werden, zu einer Art Sprache. Und eigentlich ist es doch ganz spannend, bei dieser Entwicklung dabei zu sein.