Zuletzt aktualisiert am 27. September 2019 um 13:51
Kinder, die nach Paris reisen, wollen auffallend oft die Mona Lisa sehen, auch wenn sie sonst nicht so scharf auf Museen sind. Wir haben den Louvre auf unseren familiären Paris-Trips bislang geschwänzt, aber immerhin war ich kürzlich mit Kind bei der Nofretete in Berlin: auch eine Kunstikone mit Starqualitäten.
Die Antwort der zwölfjährigen Berliner Freundin auf die Frage “Hast du schon mal die Nofretete gesehen?” ist ernüchternd: “Klar, schon oft.” Da kann man definitiv nicht mithalten, wenn man aus der süddeutschen Provinz anreist; für meine Tochter – und übrigens auch für mich – ist die Begegnung mit der berühmten Ägypterin eine große Sache.
Schönheit und Kunstprominenz
Warum eigentlich? Natürlich ist sie irrsinnig schön, aber das ist nicht alles. Nofretete ist Kunstprominenz. Es ist ein bisschen wie bei Prinzessin Kate: Die sieht auch gut aus, aber wenn wir die Gelegenheit hätten, sie zu sehen, fänden wir das nicht wegen ihrer langen braunen Haare und ihrer Wespentaille spektakulär, sondern weil sie halt Kate ist. (Wer unsere Begeisterung für Royals, vor allem englische, nicht teilt, kann Kate hier gern durch jede andere Beispiel-Celebrity ersetzen.)
Vielleicht ist es müßig, sich zu fragen, warum Kinder auf Artworld Stardom abfahren. Prominenz ist nun mal ein prickelnder Faktor in unserer Gesellschaft, und man sollte sich freuen, wenn sich der gelegentlich auch auf Kunstwerke erstreckt. Denn selbst, wenn die Gründe für das Mona-Lisa- oder Nofretete-Interesse gelegentlich genauso flach sein mögen wie die Begeisterung für Casting-Sternchen: Das Kunsterlebnis muss ja noch lange nicht flach sein. Immerhin haben sich die Kunst-Ikonen ihren Status nicht erschummelt, sondern verdient – und es war auch kein Rapid-Casting am Werk, sondern jahrhundertelange Rezeptionsgeschichte.
Glücklich mit Nofretete
Wir waren jedenfalls glücklich, als wir im Neuen Museum in Berlin mit der Nofretete in einem Raum standen, um sie herumliefen, ihre Schönheit aus jedem Blickwinkel betrachten konnten und feststellten, dass kein Foto mit der echten Nofretete mithalten kann. Wir entwickelten durchaus auch eine gewisse Ehrfurcht, die sich definitiv der Büste und nicht ihrem Ruf verdankte. Außerdem beschäftigten wir uns mit der Nofretete-Nachbildung in einer Ecke des Ausstellungsraums, anhand derer Blinde das Kunstwerk ertasten können. Eine Erfahrung, die auch für Nicht-Blinde interessant ist.
Fazit Nummer eins: Nix wie hin mit den Kindern zu den Ikonen! Wenn sie aufgeschlossen sind, muss das ausgekostet werden – und wenn hinterher mit Mona Lisa oder Nofretete angegeben wird, sind das immer noch bessere Angebethemen als viele andere.
Kindgerechte Museumsbesuche
Fazit Nummer zwei: Wäre es nicht in einem wohlhabenden Land wie Deutschland durchaus wünschenswert, dass staatliche permanente Kunstsammlungen freien Eintritt gewähren wie in England? Dann könnte jeder nach Lust und Laune einfach mal so mit seinem Kind bei der Nofretete vorbeischlendern. Dann ließen sich kürzere, kindgerechte Museumsbesuche planen, ohne dass man sich aufgrund des investierten Eintrittsgeldes zu langen Touren durch die Ausstellung verpflichtet fühlen würde, die die gerade geweckte Begeisterung der Kinder schnell wieder ersticken können.
Foto: (c) Ägyptisches Museum und Papyrussammlung der Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Fotografin: Sandra Steiß
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