Zuletzt aktualisiert am 14. März 2019 um 20:17
Es begann mit einer Mischung aus Befremden und Faszination. Der westlichste Punkt unserer Québec-Reise war Gatineau nahe Ottawa, Heimat des Canadian History Museum. In dessen “Grand Hall” steht eine bemerkenswerte Sammlung von Totempfählen und rekonstruierten Häusern kanadischer Indianer: eine Nix-wie-hin-Verheißung; klasse für Kinder, klasse für Eltern. Dachte ich.
Indianische Artefakte: gruselig?
Und hatte leider die Rechnung ohne die Sensibilitäten meiner Töchter gemacht. Die waren beim Museumsbesuch zwar schon neun und 13 und mögen Filme, von denen ich Alpträume bekomme, aber diese indianischen Figuren, Mischwesen, Masken waren ihnen too much. Gruselig; Indianerromantik hin, Indianerromantik her.
In Einzelfällen half der Cute-Faktor, der einigen Wesen bei genauerem Hinsehen nicht abzusprechen war:
Ein traditionelles indianisches Boot wurde immerhin für harmlos befunden.
Und über Mutters Lieblingsstück, ein Haus, das das Indianervolk der Nuxalk unter dem Eindruck einer Deutschlandreise einiger seiner Mitglieder im Jahr 1885 gebaut hat, konnte sich nur Mutter freuen.
Ein bisschen Inuit-Kultur
Etwas besser kamen da die Inuit-Exponate in den nächsten Ausstellungsräumen an, aber: “Das ist ja nur ganz wenig!” Was übersetzt heißt: Für grausige Grimassen und ein paar Fellklamotten brauchen wir uns wirklich nicht ins Auto zu setzen und kilometerweit in ein Museum zu fahren.
Aber dann. Als wir die “First Nations”-Abteilung hinter uns gelassen hatten und ich den Museumstrip schon als gutgemeinten Kinderflop abschreiben, das Haus verlassen und zu diesem Zweck den Vater suchen wollte, fanden meine Kinder das, was für sie fortan den Maßstab für ein tolles Museum darstellen sollte.
Highlight: ein Spaziergang durch die Geschichte von Kanada
Die Säle zur kanadischen Geschichte ähneln einer verwinkelten Theaterkulisse, die die verschiedenen Aspekte und Stadien der Entwicklung Kanadas zeigen. Durch diese Theaterkulisse geht man hindurch, vorbei an einer Walfangstation und hinein in die Ortschaften der “Nouvelle France” des 17. und 18. Jahrhunderts.
Die Bäume vor dem Pelzhandelsposten sind herbstlich rot, in den Farben des Indian Summer.
Und die pittoresken kanadischen Städtchen des 19. Jahrhunderts fühlen sich durch die künstliche Beleuchtung noch etwas zauberhafter an, als sie ohnehin schon sind.
Ein History Wonderland, das die Artefakte früherer Epochen im Kontext der Lebenswelt ihrer Benutzer präsentiert und dadurch lebendig macht. Sogar das, was in Vitrinen liegt, ist eingebettet in eine Szenerie: etwa alte Schulmaterialien, die in einem ländlichen Schulzimmer unter Glas in einem aufklappbaren Pult liegen.
Wie ein Museum zum Lieblingsmuseum wurde
Beim Hindurchgehen lernt man wie von selbst etwas über die Vergangenheit. Auch, wenn die rekonstruierten Szenerien ein wenig Spielzeugwelt-Charakter haben: Man wird hineinversetzt in andere Zeiten und andere Lebensweisen.
Seit dem Sommer haben wir öfter gehört, dass unsere Töchter an das obligatorische “Oh, nö, Museum” ein “Außer so eins wie in Kanada” herangehängt haben.
Übrigens ist auch die Außenansicht des 1989 eröffneten, von Douglas Cardinal enworfenen Canadian History Museums spektakulär und ein wenig maskenhaft – aber nicht gruselig:
Zur Information für alle Kanada-Reisenden: Laut Museums-Website werden die Kanada-Säle augenblicklich umgebaut, um 2017 in noch großartiger Form wiedereröffnet zu werden.
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