Zuletzt aktualisiert am 9. November 2024 um 17:42
In der Gegend um Kyoto, so hatte ich immer wieder gelesen, wird Tee angebaut. Einmal im Leben wollte ich eine Teeplantage in Japan besuchen. Und stieß im Internet auf die Kyoto Obubu Tea Farms, die in dem Örtchen Wazuka englischsprachige Tee-Touren anbieten. Was für ein Glück.
Gar nicht so einfach, zur Teeplantage in Japan zu finden
“Vom Bahnhof Kamo fahren Sie mit dem Bus oder dem Taxi nach Wazuka,” heißt es auf der Website von Obubu Tea. Wazuka: Wer diesen Namen schon einmal gehört hat, steckt entweder tief drin im Thema Japan oder ist Tee-Freak. Wazuka ist ein winziges Städtchen in der Präfektur Kyoto, in dem seit 800 Jahren kostbarster grüner Tee angebaut wird. Ein Ort mit rund 4000 Einwohnern, den Besucher wie ich angeblich von einem tristen Provinzbahnhof namens Kamo aus erreichen können.
Bis Kamo geht alles glatt; auf die japanischen Züge ist auch in the middle of nowhere Verlass. In Kamo wartet der empfohlene Bus. Ich steige ein und mache den entscheidenden Fehler. Ich frage den Busfahrer, ob er zur Obubu Tea Farm in Wazuka fährt. Ich hätte es wissen müssen. Mein englischer Wortschwall mit vermutlich hanebüchener Betonung der japanischen Ortsnamen eröffnet so viele Möglichkeiten zu Missverständnissen, dass der Busfahrer lieber gleich den Kopf schüttelt. “Taxi”, einigen wir uns. Bis ich begriffen habe, das der Taxistand nur eine Viertel-Umdrehung und drei Schritte von mir entfernt ist, sitzen zwei uniformierte Schülerinnen auf der Wartebank und nehmen den Wagen, der irgendwann vor ihnen einbiegt. Der Taxifahrer hat Mitleid mit der verlorenen Europäerin oder auch nur einen soliden Geschäftssinn: Er versteht mein Begehr und versichert mir, dass er gleich wiederkommt, er muss nur schnell die Mädchen abliefern.
Von jetzt an klappt alles, wenngleich die Anreise ziemlich teuer wird. Das Taxi fährt durch eine Hügellandschaft, die mit Teefeldern bewachsen ist, und ich bin überzeugt, dass ich mich in einer Fata Morgana befinde. Tee ist für mich ein Elixir von mythischen Dimensionen, und mein Hirn kommt nicht so schnell mit dem Auge mit. Ich brauche eine Weile, bis ich ernsthaft realisiere, dass ich mich inmitten von Teeplantagen befinde.
Angekommen: bei Obubu Tea
Bei Obubu Tea springt ein junger Japaner vor das Taxi und winkt mich herein. In einem traditionell japanisch eingerichteten Konferenzraum warten eine Amerikanerin und eine Italienerin darauf, mir und einer weiteren Tea-Tour-Teilnehmerin von Obubu zu erzählen. Anders als die meisten Teeproduzenten in Wazuka ist Obubu kein altes Familienunternehmen, sondern ein sehr jugendliches Start-up. Gründer Akihiro Kita verfiel dem Tee, als er im Rahmen eines Studentenjobs auf den Feldern von Wazuka aushalf. Er gründete seine eigene Teefarm, auf der er mit vielen jungen Praktikanten von allen Kontinenten zusammenarbeitet. Das hat zur Folge, dass bei Obubu intensiv und hervorragend englisch gesprochen wird: die ideale Voraussetzung für Aktivitäten zur Promotion des Nihoncha. Der nämlich, der traditionelle Grüntee Japans, ist nach Meinung des Obubu-Teams international viel zu wenig bekannt; der überwiegende Teil wird im Land selbst konsumiert, und auch hier nimmt die Begeisterung für Trendgetränke zu und überliefertes Tee-Wissen ab.
Obubu Tea schickt Teebotschafter in die Welt, bietet Meisterkurse für Profis an und auch eintägige Tee-Touren wie die, für die ich gekommen bin. Die “guided tea tour for independent travellers” ist von 11.00 bis 15.30 Uhr anberaumt, beginnt mit einer Einführung per Powerpoint, während der fortwährend Tee serviert wird, und führt dann auf die Teefelder: mit dem Auto über ruckelige Wege und durch spannende Kurven hindurch. Als wir aussteigen, umgibt uns eine flauschige, sattgrüne, in eleganten Wellen angeordnete Vegetation. Camellia sinensis in Fülle: Tee.
Auf der Teeplantage in Japan
Wir lernen sehr viel in sehr kurzer Zeit. Zum Beispiel, dass die hohen kleinen Windräder, die sich überall auf den Feldern finden, für den Schutz der Teepflanzen vor Frösten da sind, die nach der Winterperiode vorkommen und ihnen schaden können. Dass niemand die Hochklassigkeit der Tees aus Wazuka bestreitet, die großteils zu Matcha für die Teezeremonie weiterverarbeitet werden und die entscheidend zur Bedeutung der nahegelegenen Teehandelsstadt Uji beitragen. Die Teehändler in Uji mischen aus den Tees der einzelnen Plantagen ihre jeweils charakteristischen Blends: eine Kunst für sich. Doch wir erfahren auch, dass trotz aller Hochschätzung der Erzeugnisse aus Wazuka viele Teefarmer, deren Familien ihre Felder seit Generationen bearbeiten, Nachwuchsprobleme haben. Das schnelle Geld lässt sich selbst mit erstklassigen Grüntees nicht machen. Der Teeanbau ist aufwendig, anstrengend und zeitintensiv. Eine moderne Work-Life-Balance gehört für einen Teefarmer ins Reich der Utopien. Viele Vertreter der jungen Generation wandern ab.
Frischer Wind für Wazuka
Dass ein junges Unternehmen wie Obubu neue Ideen ins Tee-Tal bringt, scheint von nicht zu unterschätzender Bedeutung zu sein. Im Fahrtwind von Obubus Aktivitäten haben in Wazuka auch andere Teefarmer begonnen, englischsprachige Touren anzubieten. Man hegt Träume von einem Qualitätssiegel, mit dem sich hochwertiger japanischer Tee international vermarkten lassen könnte.
Doch bei all diesen erfrischend zeitgenössichen Marketing-Ideen arbeitet Obubu in der hauseigenen Teefabrik mit nicht minder erfrischend traditionellen Methoden und Maschinen. Wir sehen, wo der Tee gedämpft, gerollt, getrocknet wird. Alles findet in einer Halle statt: Obubu ist ein kleiner Teelieferant, der seine Erzeugnisse von Anfang bis Ende selbst herstellt und im hauseigenen Shop keine Blends, sondern Teesorten aus einer einzigen Lage von einer einzigen Pflückung verkauft – ungefähr das, was beim Whisky der Single Malt ist.
Auch gekocht wird mit grünem Tee
Bevor wir uns denen systematisch widmen, gibt es Mittagessen – und zwar in einem der kleinen Restaurants von Wazuka. Der Nihoncha wird hier auch in der Küche zelebriert: Man serviert mir ein Gericht, bei dem die Sobanudeln mit grünem Tee gefertigt wurden. Das sieht sehr hübsch aus, aber um ganz ehrlich zu sein: Viel Tee schmecke ich aus den Nudeln nicht heraus. Dafür ist die ganze Komposition köstlich.
Tea-Tasting bei Kyoto Obubu Tea Farms
Der Nachmittag gehört einem ausgiebigen Tea-Tasting. Zu den Praktikantinnen, die uns bisher betreut haben, gesellt sich ein junger Brite, der ebenfalls als Praktikant bei Obubu begann, dann jedoch blieb. Insgeheim frage ich mich, ob er nach den Finessen des Nihoncha je wieder eine ordentliche Cuppa mit englischem Builder’s Tea herunterbekommen wird. Vermutlich nicht, denn er ist tief eingestiegen. Er zeigt uns, wie man Tee heiß, warm, kalt oder sogar auf Eis aufgießt. Was passiert, wenn man Wassertemperatur, Teemenge, Ziehzeit verändert. Und er lässt uns selbst Matcha zubereiten.
Wir gewinnen Einblicke in die Geschmackspalette der japanischen Tees. Am bekanntesten sind außerhalb Japans Sencha und Matcha. Sencha ist ein Grüntee, dessen Aroma man gern als frisch und grasig empfindet, der jedoch ein ganzes Spektrum von Geschmacksnoten bereithält. Für den schaumigen, leuchtend grünen Matcha wird der Tee fein gemahlen. Bei der Zubereitung schlägt man ihn mit einem kleinen Bambusbesen auf. Matcha wird bei der traditionellen japanischen Teezeremonie getrunken. Beim Matcha nimmt man nicht nur den Aufguss aus den Teeblättern zu sich, sondern den gesamten pulverisierten Tee. Matcha besitzt einen ganz eigenen hocharomatischen Charakter.
Warum die Teeplantage in Japan manchmal beschattet wird
Das Obubu-Team liebt seine Tees. Vom Genmaicha, einer japanischen Spezialität, bei der Teeblätter mit geröstetem Reis gemischt werden, serviert man uns sogar die nach dem Aufguss abgekühlte Tee-Reis-Mischung mit etwas Sojasauce als kleinen Salat. Schmeckt ganz gut, aber zwei Stäbchenportionen reichen. Auf den Genmaicha selbst hingegen lasse ich nichts kommen. Mit seinen Röstaromen ist er immer wieder eine Freude, und aufgrund relativ geringen Teeingehalts eignet er sich auch für nächtlichen Genuss.
Dann gibt es noch den extrem kostbaren Gyokuro. Der besitzt einen betonten Umami-Geschmack, weil man ihn einige Wochen vor der Ernte beschattet. Wenn man erstmals von solchen beschatteten Tees kostet, ist der Eindruck eigenwillig. Das Aroma hat gemüsige, zuweilen fast salzige Noten. Wer das gar nicht mag, findet in Japan viele Alternativen. Aber wenn man einmal beginnt, sich mit dem Umami-Tee anzufreunden, will man immer wieder davon trinken. So geht es jedenfalls mir. Nicht jeden Tag und nicht zum Frühstück, aber gelegentlich, wenn die Sinne offen sind.
Nur fünf Prozent der japanischen Teeproduktion, so erfahren wir, werden ins Ausland exportiert. Einen Bruchteil davon habe ich im Gepäck, als ich Wazuka verlasse. Er ist auch einige Monate nach meiner Japanreise noch nicht verbraucht. Ich will die Erinnerung noch eine Weile aufbrühen können.
Besuch einer Teeplantage in Japan: INFOS ZUR TEE-TOUR BEI OBUBU TEA
Auf die Kyoto Obubu Tea Farms bin ich bei meiner Internetsuche nach einem Anbieter für Tee-Touren in der Region um Kyoto gestoßen. Online habe ich im Vorfeld meiner Reise eine “guided tea tour for individual travellers” gebucht. Das Programm dauert von 11.00 Uhr bis 15.30 und umfasst eine Einführung in den japanischen Tee, einen Besuch der Teeplantagen, ein Mittagessen und ein ausgiebiges Tea-Tasting. Der Preis liegt zum Zeitpunkt meines Besuchs bei 12000 Yen, also rund hundert Euro, pro Person.
Mit öffentlichen Verkehrsmitteln dauert die Anreise von Kyoto etwa eineinhalb, von Osaka circa zwei Stunden. Genaue Hinweise zur Anfahrt mit der Bahn sowie mit dem Auto gibt die Website von Obubu Tea.
Ob man sich in Sachen Tee bereits ein bisschen auskennt oder ein kompletter Einsteiger ist, spielt bei der Tee-Tour keine Rolle. Das offene und begeisterte Team von Obubu erklärt alles in bestens verständlicher Form und mühelosem Englisch.
2 Comments
Jenny
Liebe Maria,
grünen Tee haben wir in Japan beschämenderweise nur eiskalt aus PET-Flaschen getrunken, die wir aus den allgegenwärtigen Automaten zogen – lecker!! Der Besuch einer Teeplantage ist uns mit 3 Kids gar nicht in den Sinn gekommen, wir sind auch eher die Kaffeetrinker (der in Japan ebenfalls super schmeckte).
Dein Bericht macht mir trotzdem einen dicken Japan-Sehnsuchtskloß im Hals…
Maria-Bettina Eich
Hi Jenny,
den Tee in PET-Flaschen mag ich allerdings auch ganz schön gern! Ich glaube, mit Kindern wäre ein Spaziergang durch Teeplantagen toll, eine “guided tea tour” geht vor dem etwas höheren Teenageralter sicher nicht so gut. Aber however: Hautpsache Japan!
Sehnsüchtige Grüße,
Maria