Zuletzt aktualisiert am 25. Oktober 2022 um 12:23
Die Route unserer Japanreise war klassisch: Tokio – Kyoto – Hakone. Das Sightseeing im engeren Sinne, die Tempel und Schreine, behielten wir uns für Kyoto vor. Während unserer gut fünf Tage in der Hauptstadt ging es uns vor allem um eines: durch Tokio laufen, Atmosphäre schnuppern, ein erstes Gefühl bekommen für Japan. Dabei haben wir Entdeckungen gemacht, von denen wir auch acht Monate nach der Reise noch zehren.
Spazierengehen zwischen den Zeiten
So viel Platz muss sein: zwischen den Hochhäusern des Geschäftsviertels Minato-ku
Natürlich ist Tokio hypermodern. Aber, um es mit den Worten meiner jüngeren Tochter zu sagen: Es ist auch “genau so, wie Harriet es beschreibt: Überall findet man zwischen den Hochhäusern kleine Schreine und Tempelchen”. Harriet ist die Protagonistin einer Mädchenbuch-Reihe von der englischen Autorin Holly Smale, deren zweiter Band in Japan spielt. Dieses sehr coole Buch hat die Japan-Liebe unseres kleineren Kindes entscheidend angeheizt – auf dem Blog erzähle ich hier mehr darüber.
Verwunschener Tempelgarten mitten in der Stadt
Wir brauchen uns nur ein paar Schritte von unserem Hotel im Geschäftsviertel Minato-ku zu entfernen, um auf die grün überwucherten Mauern eines Gärtchens zu stoßen. Eines Tages stehen seine Tore offen und geben den Blick frei auf einen kleinen Tempelbau. Wir schnuppern in den Garten hinein, aber alles fühlt sich so intim und still an, dass wir uns nur wenige Minuten in dieser Enklave mitten im Großstadtrummel aufhalten mögen. Solche Entdeckungen machen wir in Tokio auf Schritt und Tritt, und sie lassen das Herumlaufen zu einer ungeheuer abwechslungsreichen Aktivität werden.
Business-Look und Sonnenschirm: eine Kombination, die man oft sieht
Wie die extreme Urbanität und die meditative Ruhe in dieser Stadt zusammenwirken, bleibt uns schleierhaft, aber wir stellen fest: Selbst in rummeligen Gegenden – wie etwa nahe der Ginza auf dem Foto ganz oben – bleibt immer eine gewisse Entspanntheit spürbar. Nachts schlafen wir in unserem zentral gelegenen Shiba Park Hotel bei offenen Fenstern und wundern uns über die Stille auf den Straßen.
J-Pop auf Rädern
Im Girlie-Style: pink und kawaii
Google verrät: CN Blue ist eine koreanische Boygroup
Wir können von Fall zu Fall nur spekulieren – oder später anhand unserer Fotos googeln -, was uns die bunt plakatierten LKWs anpreisen, die wir vor allem im trendigen Stadtviertel Harajuki cruisen sehen. Auf jeden Fall etwas Poppiges, das eher auf die Generation unserer Töchter als auf uns zugeschnitten scheint. Immerhin ist Harajuku das Einkaufsmekka für Jugendliche. Umweltbewusst ist diese Werbemethode nicht, aber effektiv darin, uns davon zu überzeugen, dass wir im Herzen des J-Pop angekommen sind.
Character Cafés
Bitte nicht schmelzen, Pompompurin!
Gejetlaggtes Kind; zufrieden
In der Tat stand der Besuch eines Character Cafés auf unserer To-do-List für Tokio. Nicht jedoch ein paar Stunden nach der Landung, im gejetlaggten und mental eingetrübten Zustand. Aber wir haben keine Wahl: Nach wenigen Schritten in Harajuku entdecken wir ein Café, das der Sanrio-Figur Pompompurin gewidmet ist, und die vor Müdigkeit glasigen Augen unserer Elfjährigen beginnen fiebrig zu glänzen.
Hmm… traditionelle japanische Küche sieht anders aus!
Also setzen wir uns hinein in eine gastronomische Einrichtung, die ganz im Zeichen eines weichen, puddingartigen Hundes – oder hundeartigen Puddings? – mit Baskenmütze und Schlappohren steht. Alles hier ist gelb wie Pompompurins wolkenweiches Fell; von Bildern und Speisekarten bedenkt er uns mit seinem gutmütigen Lächeln. Geschirr, Einrichtunsgegenstände und sogar die Gerichte haben, wo nur irgend möglich, Pompompurins Gestalt.
Ein Character-Café ist eine heftige und unvergessliche Erfahrung, die man jedem Tokio-Besucher ans Herz legen möchte. Und zwar auch solchen, die ohne Kinder reisen, denn wie wir an den Gästen des Pompompurin-Cafés feststellen konnten: Character-Cafés wurden keineswegs für Kinder erfunden.
Der Koban
Bei Fragen einfach einen Koban aufsuchen!
Ein Koban ist eine kleine Polizeistation. Hunderte Kobans sind über Tokio verteilt, in jeder Nachbarschaft gibt es einen. Die Koban-Polizei tritt ganz eindeutig als Freund und Helfer auf. Ihr obliegt nicht so sehr die Jagd auf Verbrecher als vielmehr die noch reibungslosere Regelung des an sich schon extrem reibungslosen japanischen Alltagslebens. Wer sich verlaufen hat, sucht am besten den nächsten Koban auf, und Tokioter können hier Antwort auf viele Fragen des urbanen Alltagslebens erhalten. Die Kobans sind gewöhnlich in unprätentiösen und ganz unterschiedlichen kleinen Bauten untergebracht. Wir freuen uns immer, wenn wir einen sehen, finden aber das Polizeihäuschen an einer Parkecke nahe dem Tokyo Tower am allerschönsten.
Street Art
Eine Happy-Neko-Katze vom französischen Street Artist Invader
Street Art ist, wie man überall lesen kann, in Japan nicht sehr verbreitet. Jedenfalls nicht die guerillamäßig ausgeführte raue Street Art, die man aus westlichen Großstädten kennt. Wir finden während unserer zwei Wochen in Japan exakt ein derartiges Kunstwerk: eine Happy-Neko-Katze, die der bekannte französische Künstler Invader mit seinem typischen Pixelmosaik auf eine Wand im Tokioter Stadtteil Shibuya appliziert hat.
Cool, auch wenn wir die Message nicht verstehen
Das verhindert allerdings nicht, dass wir bei unseren Spaziergängen immer wieder auf originelle Bilder an Straßenrändern und sogar auf Bürgersteigen stoßen. Werbeplakate im Manga-Stil sind unsere ersten Favoriten – bis wir die berühmten Gullydeckel entdecken. Diese bei Japanreisenden höchst beliebten Fotomotive erzählen kleine Geschichten über die Nachbarschaft, in der sie sich befinden.
Japan, das Land der schönen Gullydeckel
Tokyo Midtown
Dass es eine Midtown in Tokio gibt, wissen wir nicht, bevor wir sie auf unserem Weg zum Designmuseum 21_21 Design Sight entdecken. Glas, Stahl, Wolkenkratzer – wie es sich für eine Midtown gehört. Aber immer wieder mit luftigen, filigranen Architekturelementen, die uns daran erinnern: Dies hier ist Japan. Die Atmosphäre in diesem neu entwickelten Viertel ist entspannt und das direkt hinter den höchsten Wolkenkratzern Midtowns gelegene Designmuseum allein schon aufgrund seines Baus von Tadao Ando einen Besuch wert.
Tadao Ando hat das Museum 21_21 Design Sight gebaut
Im Cat Café
In ein Cat Café wollten wir unbedingt: in eines dieser Cafés, in denen die der Natur entfremdeten Großstadtbewohner Katzen streicheln können, um wieder einen Bezug zur Kreatur zu finden. Katzencafés sind bei Touristen berühmt, und wir dachten, man würde in Tokio nur so über sie stolpern. Aber das ist Fehlanzeige. Unser Happy Neko Cat Café in Shibuya finden wir nur mühsam auf einen Tipp aus dem Internet hin.
Katzenstress soll auf jeden Fall vermieden werden.
Mit für japanische Verhältnisse ungewöhnlicher Ruppigkeit weisen die Betreiberinnen des Cat Café uns auf die Verhaltensmaßregeln hin, die an sich lobenswert sind, denn die Katzen sollen gesund und glücklich sein. Deshalb müssen wir uns die Hände desinfizieren und dürfen Katzen, die ein Halsband tragen, nicht stören: Die sind nämlich gerade etwas gestresst.
Im Katzencafé sieht es aus wie im Wohnzimmer eines leidenschaftlichen Katzenliebhabers: Zum einen sind da die vielen echten Katzen, zum anderen ist alles mit Katzenmotiven dekoriert. Allerdings scheinen die Japaner nicht so Cat-Café-fanatisch zu sein, wie wir gehofft hatten: Außer uns sind fast nur andere Touristen da.
Tokyo by night
Immer wieder laufen wir durch Tokio, bis es dunkel ist und die Atmosphäre magisch wird. Wie sie sich anfühlt, hängt davon ab, wo wir uns bei Einbruch der Dunkelheit befinden. Manchmal kommen wir uns vor wie in einem verwunschenen alten Japan mit Papierlaternen und kleinen Gaststätten.
Hier gab’s die besten Sushi unseres Lebens
In den nächtlichen Back Streets von Tokio
Ganz anders fühlt sich die Nacht in Shibuya an, als wir zusammen mit ungezählten Japanern die Kreuzung Shibuya Crossing überqueren – angeblich die belebteste Kreuzung der Welt, über die, so heißt es, pro Grünphase manchmal bis zu 1000 Personen gehen. Der Abend, an dem wir zu diesen ungefähr 1000 gehören, ist unvergesslich.
4 Comments
Bablofil
Thanks, great article.
Maria-Bettina Eich
Thank you so much for your feedback!
Jenny
Tokio ist halt einfach der Wahnsinn, ich würde da sooo gern mal ein paar Wochen leben…
Tolle Tipps hast du da für unseren nächsten Aufenthalt gesammelt, danke!
LG
Jenny
Maria-Bettina Eich
Hallo, Jenny,
das würde ich auch gern! Und vorher schnell mittels irgendeiner Wundermethode die Sprache lernen… Bin gespannt, was Ihr nach Eurer Sommerreise berichtet – auch wir denken bereits ans nächste Mal Japan. Lässt einen nicht los!
Liebe Grüße,
Maria