Zuletzt aktualisiert am 15. Juli 2024 um 23:10
Das Treehotel in Schweden stand ziemlich lange ziemlich weit oben auf meiner Wunschliste: ein Ensemble aus sieben architektonischen Einzelstücken, die in den Bäumen beim nordschwedischen Ort Harads hingen, nur wenige Kilometer südlich vom Polarkreis. Zwei Nächte haben wir in diesem Baumhaushotel verbracht – und nach neun Monaten den Wald noch immer in der Nase.
Durch den Wald ins Hotelzimmer
Alles ist anders, vom ersten Moment an. Bevor man sein Hotelzimmer bezieht, schließt man die Koffer in einem Gemeinschaftshäuschen ein. Man packt die für die Nacht notwendigen Dinge in einen dafür bereitgestellten Rucksack und macht sich auf den Weg in den Wald von Schwedisch Lappland. In ein verwunschenes Grün voller Birken und mit großen grauen Steinen am Boden. Falls irgendwo Trolle wohnen, dann wahrscheinlich hier.
Schlafen im Vogelnest
Wir sehen ein überdimensioniertes Vogelnest zwischen Baumstämmen hängen: das Bird’s Nest, für zwei Nächte unsere Bleibe. Es wirkt, als könnten tatsächlich nur flugtüchtige Wesen hinein; ein Zugang ist nicht zu sehen. Bis wir den am Empfang erhaltenen Schlüssel in einem Kästchen neben dem Nest herumdrehen: Aus dem Boden des Baumhauses senkt sich uns eine Falltür entgegen, aus der langsam eine metallene Leiter herausfährt.
Schwedisches Design zwischen Baumkronen
Dass die Schweden Design können, weiß man ja. Das Interieur des Vogelnests wirkt behaglich, helles Holz dominiert das Bild, außerdem ist alles höchst funktional. Den runden Innenraum hat der Architekt Bertil Harström optimal genutzt: Er beherbergt ein Etagenbett, ein Doppelbett, eine kleine Toilette und sogar ein ausklappbares Tischchen. Wirklich sicher hin- und hergenen können wir nur, wenn wir die Falltür schließen: Ist sie offen, klafft ein Loch im Boden. Die Toilette funktioniert zuverlässig mit einem umweltfreundlichen Verbrennungssystem, das Zahnputzwasser kommt aus einem mechanisch zu bedienenden Reservoir nach dem Vorbild von Wasserspendern in russischen Zugtoiletten. Zwei Tankfüllungen Trinkwasser finden sich täglich frisch im Nest.
Da wir mit nur einer Tochter reisen, bleibt ein Bett frei, aber auch zu dritt füllen wir den eng bemessenen Raum des Baumhauses gut aus. Dessen Design soll Gefühle von Intimität und eine Rückbesinnung auf sich selbst provozieren. Aus diesem Grund bestehen die Fenster nur aus kleinen Bullaugen, was wir etwas schade finden: Schlafen mit großzügigem Ausblick in die Baumkronen der Umgebung wäre schön gewesen.
Wohnen als Hauptbeschäftigung: Alltag im Treehotel in Schweden
So ein Leben im Baumhaus ist etwas umständlich; wir verbringen einen nicht unbeträchtlichen Teil unseres Aufenthalts im Treehotel schlicht und ergreifend mit Wohnen. Kleider, vergessene oder überflüssige Utensilien und ein wenig Proviant müssen zwischen dem Empfangsbereich des Hotels und dem Baumhaus hin- und hertransportiert werden, was jedes Mal einen wildromantischen, mit dem Ausblick auf andere spektakuläre Baumhäuser garnierten Fußweg von etwa sieben Minuten bedeutet. Lässt jemand von uns etwas im Hotelzimmer liegen, geht er nicht einfach zurück, sondern muss die Leiter hochklettern und die Falltür aufklappen. Die sehr nordisch-komfortablen Duschen sind – ebenso wie zwei Saunen – durch den Wald über einen Holzsteg zu erreichen; hängt ein “Besetzt”-Schild an der Tür, wartet man.
Der Weg durch den Wald ist das Ziel
Wir sind weder Camper noch Outdoor-Freaks, sondern im Gegenteil bekennende Warmduscher. Weshalb es ein bisschen erstaunlich ist, wie sehr wir unseren eigenwilligen Wald-Alltag genießen. Das Treehotel ist der Auftakt zu einer zweiwöchigen Reise um den Bottnischen Meerbusen; wir kommen direkt aus unserem gewohnten Alltag und sind sofort in einem anderen Geisteszustand. Von dem Moment an, in dem wir erstmals mit unseren Rucksäcken in Richtung Bird’s Nest aufgebrochen sind, riecht unsere Welt nur noch nach skandinavischem Wald, die Geräuschkulisse ist auf ein beruhigendes, fast ausschließlich natürliches Minimum an Klängen gesunken, unsere Augen sind gesättigt von dem Grün und der außerordentlichen Klarheit des Himmels in dieser arktischen Landschaft. Wir machen einen Ausflug, überqueren den Polarkreis, fahren in den Ort Jokkmokk, aber im Grunde scheint es uns völlig unnötig, uns um irgend etwas anderes zu kümmern als ums Hochklappen von Falltüren und die Einteilung des Trinkwassers. Und leider auch um den ungemütlichen Kampf gegen die Insekten. Kurz gesagt: Der Weg durch den Wald ist das Ziel.
Wie es zum Treehotel in Schweden kam
Natürlich haben wir gelegentlich Hunger. Fantastisches Frühstück gibt es in Britta’s Pensionat, einer Art Haupthaus des Treehotels – und der Keimzelle des ganzen Projekts. Nachdem das Ehepaar Kent und Britta Jonsson Lindvall das ehemalige Altenstift in ein Gästehaus umgewandelt hatte, mietete sich eines Tages eine Filmcrew bei ihnen ein. Als Kulisse für ihr Filmprojekt baute sie ein Baumhaus in den Wald. Was dann geschah, wird im Treehotel gern erzählt: Britta fand den Gedanken, das Baumhaus abzureißen, bedauerlich, und kam auf die Idee, ein Feriendomizil daraus zu machen. Zu dieser Zeit leitete ihr Mann eine Angelreise in Russland. Teilnehmer des Trips waren drei befreundete schwedische Architekten. Gemeinsam brüteten sie die Idee eines architektonisch einzigartigen Baumhaushotels aus.
Arktis auf dem Teller
Innendrin sieht Britta’s Pensionat ganz anders aus als die avantgardistischen Baumhäuser. Hier ist alles auf klassisch schwedische Weise behaglich. Am Morgen frühstücken wir auf weißen Stühlen oder Naturholzbänken, am Abend ist Restaurantbetrieb – in kleinem, familiärem Umfang und auf hohem Niveau.
Ich habe mich auf kulinarische Entdeckungen im Norden gefreut, der sich seit der Entstehung der New Nordic Cuisine immer stärker auf seine eigenen Erzeugnisse und Traditionen besinnt. Unser Abendessen im Restaurant des Treehotels ist umwerfender, als ich es erwartet hätte. Sebastian Gröndal, aufgewachsen im Nachbarort und von klein auf vertraut mit der regionalen Küche, ist verantwortlich für die Treehouse-Gerichte. Er bringt “arctic char” auf den Teller, einen arktischen Saibling, den er mit knuspriger Fischhaut und einem regionalen Rogen serviert. Ich bin nicht sicher, ob ich je einen so hell, zart und klar schmeckenden Fisch probiert habe. Umgeben ist der Saibling von kräftigen Aromen mit teils maritim-salziger, teils etwas lakritziger Note. Die Fischhaut-Blätter haben etwas von würzigen Chips. Das Ganze ist herrlich.
Architektur-Tour im Wald von Schwedisch Lappland
Jeder Gang zu unserem Vogelnest führt uns an einigen der anderen Baumhäuser vorbei, die zum Treehotel in Schweden gehören. Da ist ein großes Gebilde namens Dragonfly, das sogar als Räumlichkeit für Konferenzen dienen kann. Oder die intime Cabin für zwei Personen, deren Glasfront einen Blick über das Tal des Flusses Lule bietet.
Ich wollte nicht zuletzt wegen des Architekturerlebnisses ins Treehotel, weshalb ich für unseren Abreisevormittag eine der täglichen geführten Touren durchs Baumhaus-Ensemble buche. Ich bin erstaunt, wie viele Besucher sich zu uns gesellen, frage den Guide und erfahre, dass in der Regel mehrere Dutzend Personen an einer Tour teilnehmen. Ziemlich bemerkenswert, wenn man bedenkt, in was für einer entlegenen Gegend wir uns hier befinden.
Wo Nordliebe und Architekturliebe kulminieren
Die ersten Baumhäuser – darunter unser Bird’s Nest – wurden 2010 gebaut; das jüngste stammt von 2016. Das berühmte norwegische Architekturbüro Snøhetta hat diesen siebten Bau entworfen, der denn auch passend 7th room heißt – und der der luxuriöseste unter den Hotelräumen ist, ausgelegt für fünf Personen und sogar mit einer eigenen Dusche ausgestattet. Unser Tourguide schließt ihn auf, und wir dürfen ein Prachtstück skandinavischen Stils von innen betrachten. Es wäre vielleicht ein guter Plan für die nächsten Jahre, zu Reichtum zu gelangen und sich eine Woche lang hier niederzulassen, möglicherweise mit Nordlichtern im Hintergrund.
Unser Lieblingshaus ist allerdings das rundum verspiegelte Mirrorcube, das den Wald von jeder seiner Seiten reflektiert und sich auf diese Weise gelegentlich völlig in seiner Umgebung versteckt oder aber zu herrlichen Vexierspielen führt. Meine Tochter macht Selfies mit surrealen optischen Effekten. Ich liebe den Norden, und ich liebe die Architektur. Das Treehotel in Schweden ist der ideale Kulminationspunkt von beidem.
Treehotel in Schweden: INFO
Das Treehotel in Schweden bietet sieben unterschiedliche Baumhäuser, die je nach Bauform für zwei bis fünf Personen ausgelegt sind. Außerdem vermietet Britta’s Pensionat sechs Gästezimmer. Buchen kann man bequem über die Website.
Das Treehotel liegt am Rande des Örtchens Harads in Schwedisch Lappland. Wenn man nicht zufällig sowieso in der Gegend unterwegs ist, erreicht man es am besten vom Flughafen Luleå aus, der 90 Kilometer südöstlich vom Treehotel liegt. Der Flughafen wird mehrmals täglich von Stockholm aus angeflogen. Wir haben uns am Flughafen Luleå einen Mietwagen genommen, das Treehotel bietet jedoch auch einen Transfer-Service vom Flughafen zum Hotel an: mit dem Taxi oder, auf Wunsch, per Hubschrauber.
Für Helikopter gibt es einen eigenen Landeplatz – was darauf hindeutet, dass das Hotel gern von finanziell recht liquiden Gästen aufgesucht wird. Dem lässigen schwedischen Charme des Ganzen tut das keinen Abbruch; nichts im Treehotel fühlt sich irgendwie schicki-micki an. Trotzdem sind die Preise für die Baumhaus-Übernachtungen alles andere als budgetschonend, wenngleich sie von Haus zu Haus variieren. Ob man als nicht-reicher Normalsterblicher die Reisekasse entsprechend belasten will, sollte man davon abhängig machen, wie viel einem das Treehotel in Schweden als Once-in-a-lifetime-experience bedeutet. Wenn man unbedingt einmal hinwill wie ich, wird man die Investition nicht bereuen.
6 Comments
Nadine
Megacool! ♥ Das steht auch noch ganz fett auf meiner Once in a Lifetime-Liste. Baumhäuser gehen einfach immer. Wir hatten auch unvergessliche Erlebnisse in Vermont und in Frankreich. LG, Nadine
Maria-Bettina Eich
Once-in-a-lifetime-Listen sind wichtig! Ich freue mich auf das Baumhaus-Roundup auf Deinem Blog mit schönen Fotos aus Vermont und Frankreich.
Liebe Grüße,
Maria
DieReiseEule
Ich bin geflasht. Wie abgefahren ist das denn? Das Mirrorhaus musste ich erstmal suchen. Das passt sich perfekt der Umgebung an. Ich werde gleich mal nach den ganzen Baumhäusern googlen. Die Treppe zum Vogelnest schreckt mich etwas ab. Haben die anderen Häuser denn auch nur so Klapptreppen?
LG Liane
Maria-Bettina Eich
Hallo, Liane, geflasht waren wir auch! Was die Treppen angeht, kann ich Entwarnung geben: So eine schräge ausfahrbare Leiter hat nur das Vogelhaus, alle anderen Häuser sind komfortabler zugänglich. Eines gilt sogar als barrierefrei, wobei ich mich frage, wie man es mit ernsthaften Gehproblemen überhaupt erreichen will, denn ein bisschen holprigen Waldboden muss man schon bewältigen. Aber vielleicht gibt es auch dafür eine Lösung, die Schweden sind ja sehr kreativ!
Liebe Grüße zurück
Maria
Anja
Ich habe die Baumhäuser schon so oft gegoogelt; nach deinem Bericht wieder mal. Leider sind sie immer noch 10 Stunden mit dem Auto von uns entfernt. Aber eines Tages…. Toll, dass ihr es bis dort hoch geschafft habt – selbst für Schweden noch ein kleines Abenteuer. Grüße, Anja
Maria-Bettina Eich
Ja, eines Tages… Auch für mich waren die Baumhäuser lange Zeit ein Fernziel und ein Traum. Irgendwann habe ich sie dann zum Eckpunkt einer Reiseroute gemacht – als Abenteuer haben wir es auch empfunden. Vielleicht schlaft Ihr irgendwan auch mal in einem davon!
Liebe Grüße,
Maria