Zuletzt aktualisiert am 10. Juli 2018 um 19:29
Außer der Agawa Canyon Tour Train gibt es nicht viele Gründe für Touristen, nach Sault Ste. Marie in Ontario zu reisen. Der Ort direkt hinter der Grenze zwischen den USA und Kanada, der auf der US-Seite ein Pendant gleichen Namens hat, war ehemals Hochburg der Stahlproduktion und verströmt heute die Tristesse abgehalfterter Industriestädte.
Im historischen Zug von Sault Ste. Marie nach Norden
Kaum jemand käme hier vorbei – wäre da nicht die Algoma Central Railway. 1901 begann man, von Sault Ste. Marie aus Gleise nach Norden in die Wildnis zu legen. Auf denen kann man noch heute fahren. Die Agawa Canyon Tour Train startet morgens in der Stadt und fährt 114 Meilen bis zu einem malerischen Canyon, an dem man aussteigt. Die Bahn braucht lange, bis sie da ist. Sie passiert spektakuläre Brücken, fährt an Postkartenseen vorbei und durchquert so viel Grün, dass man schläfrig wird. So mag es damals gewesen sein, als die Eisenbahn zum amerikanischen Mythos wurde. Über Lautsprecher erfährt man von den Mühen der Gleisbauer und freut sich ein bisschen, dass ihre Arbeit sich gelohnt hat und keine neue Technologie den von ihnen bereiteten Weg in die Wildnis ersetzt hat.
Langsam bis zum Agawa Canyon und wieder zurück
Im Agawa Canyon steigt man aus, genießt die Landschaft, läuft ein paar bestens ausgebaute Wanderwege entlang und würde gerne länger bleiben als die eineinhalb Stunden, die für den Aufenthalt eingeplant sind. Wann ist man schon mal in einer Wildnis, in die man nur mit einem altmodischen Zug kommt? Aber die Bahn ist langsam, man muss wieder einsteigen. Die Sitze werden gewendet, denn der Zug hat im Canyon dafür keinen Platz. Auf der Rückfahrt wieder Grün durch die riesigen Panoramafenster, wieder kein Elch an den Orten, die per Lautsprecher als Elch-Sichtungs-Stellen angekündigt werden.
Die gut 180 Kilometer durch die kanadischen Wälder sind zu einem grünen Fleck in unserer Erinnerung geworden, der so schnell nicht verblassen wird. Und wenn man sich fragt, wie sich bleibende Reiseerinnerungen in die Köpfe von Kindern hineinprägen: Ein etwas ermüdendes Reizkontinuum kann ganz produktiv sein.
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