Zuletzt aktualisiert am 23. September 2018 um 16:45

Die Freistadt Christiania gilt als Kopenhagens drittbeliebteste Touristenattraktion – nach dem Vergnügungspark Tivoli und der kleinen Meerjungfrau. Christiania ist eine alternative Kommune, die vor allem für ihren relativ freien Handel mit Cannabis bekannt ist. Soll man da überhaupt mit Kindern hingehen?

Die eine will raus hier, und zwar sofort. Die andere zieht die Augenbrauen hoch und murmelt, ihr wäre es wirklich zu blöd, auf dem Präsentierteller vor den Augen der Touristen Joints zu rauchen. Welcome to Christiania, wo die Disneyfizierung des Aussteigertums stattgefunden hat.

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Die Fakten: 1971 besetzte eine Gruppe alternativ denkender, revolutionsfreudiger Kopenhagener ein ehemaliges Militärgelände im Stadtteil Christianshavn – um das Gebiet nach kurzer Zeit zum “Freistaat” mit eigener Flagge auszurufen. Hier sollten alternative Lebenskonzepte verwirklicht werden; außerdem sollte Christiania ein Hafen für Personen sein, die am Rande der Gesellschaft standen – nicht zuletzt Drogenabhängige. In Christiania wollte man sie entkriminalisieren, indem man den Besitz von und den Handel mit weichen Drogen – Cannabis – legalisierte. Harte Drogen wurden in Christiania bald verboten und sind es noch heute.

Im Laufe der Jahrzehnte wurde Christiania zum Modellprojekt alternativer Gemeinschaftsorganisation, zum Aushängeschild für die dänische Liberalität und zur Touristenattraktion. Seit 2011 ist auch der lange zwischen dem dänischen Staat und den Bewohnern schwelende Streit über den Status von Christiania beigelegt: Kopenhagen hat das Gelände an die Bewohner verkauft, die es ihrerseits durch den Verkauf einer Volksaktie finanzieren, die man übrigens auch direkt bei einem Besuch erstehen kann. Damit ist Christiania in Kopenhagen jetzt offizielle Freistadt – und erfreut Besucher durch das gern als Fotomotiv genutzte Ausgangsschild mit der Aufschrift “You are now entering the EU”.

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Mit fröhlicher Unbedarftheit beschließen wir, unseren Töchtern Christiania zu zeigen. Wir waren schon einmal da, mein Mann und ich. Das war im Jahr 1997, und der Ort erschien uns exotisch, aufregend und bunt. Exotisch, aufregend und bunt sind die perfekten Attribute für kindergeeignete Sehenswürdigkeiten, also: nix wie hin mit den Kids. Und das Thema Drogen beschäftigt sie in ihrem Alter – zehn und 14 – ohnehin, das macht den Christiania-Ausflug noch relevanter. Um es ganz deutlich zu sagen: Uns kommt in keinem Augenblick der Gedanke, der Besuch könne in irgendeiner Weise schädlich sein für unsere Kinder, sie erschrecken oder, im Gegenteil, Drogen verharmlosen. Und nein: Wir sind nicht immer so unbedarft.

Wir betreten die Freistadt – und staunen. Überall Buden mit Souvenirs, Kunsthandwerk, Snacks und Getränken. In der frühen Herbstdämmerung sehen sie aus wie Weihnachtsmarkt-Stände. Wir sind irritiert: Ist das Alternativprojekt zu einem Touristenziel mit konsumorientierter Infrastruktur geworden?

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Wenige Schritte hinter den Büdchen das erste Warnschild: Hier beginnt der Greenlight District, hier darf man nicht fotografieren. Das Grünlichtviertel ist das, was gemeinhin als Pusher Street bekannt ist: die Straße, in der Cannabis gehandelt wird – erstaunlich offen, aber nicht ganz so offen wie die Souvenirs. Viele Verkaufsstände sind mit etwas umhüllt, was für uns wie Camouflage-Netze aus Wellpappe aussieht. Denn irgendwie duldet der dänische Staat den Drogenhandel hier zwar, aber legal ist er nicht.

Die Pusher Street mündet in einen großen Platz, der wie ein Biergarten anmutet: Unter Schirmen sitzen Leute auf Bänken, rauchen Joints, trinken und essen, was sie sich an den Ständen rings um den Platz gekauft haben. Partyatmosphäre. Inzwischen hat mich doch mal kurz die Befürchtung gestreift, das relaxte Tun und Treiben hier könnte meine Kinder auf die Idee bringen, das mit den Drogen sei gar nicht so schlimm, wie alle immer behaupten. Seltsamerweise ist das Gegenteil der Fall. Schwaden von Cannabisdunst umhüllen uns, und dieses Geruchserlebnis gefällt keiner meiner Töchter. Die Jüngere ist in einem Zustand höchster Verwirrung. Bei aller Biergartenatmosphäre ist sie der Überzeugung, sich inmitten eines Verbrechernests zu befinden, denn schließlich tun hier alle etwas Kriminelles. Die Ältere findet das demonstrative Massengerauche affig – vor allem in Anbetracht der glotzenden Touristen, zu denen natürlich auch wir gehören. Aber auf genau diese Touristen setzt Christiania andererseits – wie sonst erklärt sich die Büdchen-Infrastruktur? Ich, die ich noch im Wind der 68er-Generation aufgewachsen bin, denke: Ohne Kommerz eben doch kein alternatives Lebenskonzept. Meine kleine Tochter denkt: Nur weg hier! Und sie sagt es auch. Ich würde gerne noch ein paar von den pittoresken selbstgebauten Häusern ansehen, für die Christiania berühmt ist. Geht nicht. Das Kind will zurück in die EU. Drogengefährdung fürs erste eher verringert als erhöht. Ob ich anderen Familien einen Christiania-Besuch mit Kindern empfehlen würde? Nur sehr eingeschränkt. Unter Umständen kann das Junge-Leute-Szene-Feeling, das unter den Rauchenden herrscht, ganz verführerisch wirken.

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Wir haben in Kopenhagen auch viel gesehen und erlebt, was man Familien mit Kindern bedingungslos empfehlen kann – zu unseren Tipps geht’s hier