Zuletzt aktualisiert am 13. Dezember 2018 um 16:56

Was wird Louise sagen? Wenn ich ein Kind wäre, würden mir Ai Weiweis visuelle Kommentare zu humanitären Themen und zu politischen Ungerechtigkeiten großen Eindruck machen.

Wie erleben Kinder die Kunst von Ai Weiwei?

Ich schätze, meinen Töchtern ginge es genauso, außerdem fänden sie wahrscheinlich die optischen Rätsel und ihre textlichen Auflösungen spannend: wie bei Ai Weiweis Installation von Hunderten Flusskrabben aus Porzellan.

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Was tun die Flusskrabben hier?, fragt man sich. Die Lösung kommt per Audioguide oder durch die Texttafel an der Wand: Das chinesische Wort für Flusskrabbe ist fast identisch mit einer Vokabel für Harmonie, die von der Regierung oft im Sinne erzwungener Konformität verwendet wird. Aha, alles klar: Ai Weiwei benutzt die Flusskrabbe als indirekte Kritik an der chinesischen Diktatur, denn direkte Kritik darf er nicht äußern.

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Meine Töchter sind beim Besuch der Ai-Weiwei-Ausstellung im Berliner Martin-Gropius-Bau (noch bis 13.7.2014) nicht dabei, deshalb frage ich Louise. Louise ist die elfjährige Tochter meiner Berliner Freundin, und sie war schon bald nach der Eröffnung bei Ai Weiwei – ausgerüstet mit Kinder-Audioguide. Besonders beeindruckend fand sie die Gefängniszelle, die Ai Weiwei exakt der Zelle nachgebaut hat, in der er 81 Tage lang festgehalten wurde. Man kann sie betreten und sogar den Schmutz im Bad betrachten. Auch sonst kann sich die Tochter meiner Freundin noch an viele Ausstellungsstücke erinnern. Zum Beispiel an die Vasen aus der Han-Dynastie, die mit Autolack überzogen wurden.

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Und an die Unmenge von Hockern, die der Künstler im Lichthof des Gropiusbaus hat aufstellen lassen, sodass sie eine teppichartige Fläche zu ergeben scheinen. Sie sind Symbole für das traditionelle chinesische Landleben, das immer öfter einer Abwanderung in der Stadt geopfert wird. Die alten Hocker, die die Menschen generationenlang begleitet haben, werden dabei zurückgelassen. Ai Weiwei hat sie gesammelt.

Ein Spiel aus Rätsel und Auflösung

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Die verbogenen Armierungseisen, die an das Erdbeben in Sichuan im Jahre 2008 erinnern und mittels derer Ai Weiwei der Regierung den Vorwurf macht, die Schulen in der Region so unsicher gebaut zu haben, dass viele Kinder umkamen. Die hängende Installation aus Fahrrädern, die als Mahnmal für einen Fahrradfahrer fungiert, der wegen einer verkehrsrechtlichen Bagatelle zum Tode verurteilt wurde: Diese Dinge vergisst man als Kind so schnell nicht.

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Als Erwachsenen kann einen das Spiel aus Rätsel und Auflösung allerdings auch ermüden. Bronzeskulpturen der chinesischen Tierkreiszeichen im traditionellen Stil: sehr schön. Und sonst? Ein Blick an die Wandtafeln: Aha, Message understood. Die Bronzen entsprechen historischen Vorbildern und gemahnen an die Themen Plünderung und Raubkunst. Die Flusskrabben, die Fahrräder: Konzeptkunst, die sich nur mittels textlicher Erklärung erschließt, dann aber auch unmissverständlich und mit dem Holzhammer. Das ist vom Kunstaspekt her etwas unbefriedigend.

Das Monumental-Serielle ist allerdings eine große Stärke von Ai Weiwei. Im Falle der Hocker, die ihre Assoziationen von Menschenmassen und gefährdeten Traditionen in sich tragen, während sie gleichzeitig ein einzigartiges visuelles Erlebnis bieten, entfaltet sich diese Stärke extrem eindrucksvoll – auch ohne verbale Erklärung.