Zuletzt aktualisiert am 9. Februar 2018 um 14:24

Im katalanischen Figueres, etwa 140 Kilometer nordöstlich von Barcelona, wurde Salvador Dalí geboren, und dort hat er der Nachwelt das Teatre-Museu Dalí hinterlassen: ein ehemaliges Theater, von ihm selbst zu einem spektakulär inszenierten Dalí-Kunstparcours umgebaut. Ein Haus mit überlebensgroßen Eiern auf dem Dach? Da wollen wir hin.

Surrealistische Inszenierung

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Alles beginnt mit einem Innenhof, ausgestattet mit einem surrealistischen Allerlei vom bewachsenen Automobil über eine gigantische, an Reifen gekettete Venus bis hin zu einem hoch über den Besuchern aufgehängten Boot mit zerfließenden Tropfen; das Ganze umgeben von antikisch-mechanistischen Puppen in gemauerten Fensternischen. Alles klar, wir sind im Bilde: Hier gibt es Kuriositäten zu sehen in einer Inszenierung, die klotzt, nicht kleckert.

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Klassich daliesk wird es im zentralen Bühnenraum, von dem Treppen, Galerien und Gänge in die Verästelungen von Dalís riesigem Gesamtkunstwerk führen. “Das Labyrinth”, ein monumentales Wandgemälde, wird eingerahmt von einem angedeuteten Vorhang. Spätestens jetzt steht fest: Wir befinden uns in einer Kunstschau mit Showcharakter. Passt zu Dalí, der selbst eine lebenslange One-Man-Show war.

Besuchermagnet im kleinen Figueres

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Das Teatre-Museu Dalí ist das zweitmeist besuchte Museum Spaniens. Als Attraktion vom publicitybegeisterten Meister selbst konzipiert, ist es wie geplant zum Besuchermagneten geworden. Wir schlendern von Raum zu Raum, und während in einigen ganz konventionell Bilder hängen, sind die meisten sorgfältig ausgestattete Überraschungskabinette.

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Am coolsten findet unsere Familie das bewohnbare Mae-West-Gesicht mit Sofa-Lippen, Kamin-Nase, Bilder-Augen und einer Draperie aus goldblonden Haaren. Eine Treppe im Zimmer führt uns zu einem Aussichtspunkt mit Riesenlupe, die die Möbelstücke optimal in Gesichtsform bringt.

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Woanders geht es um das Spiel mit illusionistischen Effekten, das der ältere Dalí mit Hingabe pflegte, doch auch die Highlights seiner früheren Epochen sind im Theater-Museum präsent. Wie die zerfließenden Uhren, die hier als Wandteppich über dem schlangengeschmückten Bett einer surrealistisch-barocken Schauwohnung zu sehen sind.

Dalí-Themenpark

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Dieser Dalí-Themenpark legt alles darauf an, dass wir aus dem Staunen nicht mehr herauskommen. Aber irgendwie kommen wir bei unserem Besuch ins Staunen gar nicht so richtig hinein. Worüber wir wiederum staunen. Ist das hier nicht der perfekte Ort fürs familiäre Kunsterlebnis? Unterhaltsam, voller überraschender Effekte und ganz anders strukturiert als die Museen mit den weißen, bilderbehängten Wänden, die unsere Kinder gern mal langweilig finden?

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Hier haben wir stellenweise echtes Gruselkabinett: Raumeingänge, die uns verschlingen, golden schimmernde Särge, Ritter mit Holzbein neben bissigem Krokodil, gehenkte Puppen im Treppenhaus – was will man eigentlich mehr?

Im Gruselkabinett

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Aber genau das ist das Problem. Wir wollen nicht mehr; ganz im Gegenteil, uns ist das alles hier too much. Zu viel zirkushafte Effekthascherei, zu viel mit berechnender Methode zur Schau gestellter Wahnsinn. Wir haben uns nicht abgesprochen, gehen teils allein, teils in wechselnden Formationen durchs Museum, aber jeder scheint so ziemlich das Gleiche zu empfinden. Der Vater sagt, Dalí habe ihn noch nie überzeugt, aber er wollte halt mal her. Mir geht’s genauso. Das kleine Kind meint, das Ganze sei ihm zu verrückt. Und die große Schwester ist der Ansicht, so richtig surrealistisch sei es hier gar nicht. “Richtig surrealistisch” finden meine Kinder es, wenn Magritte Geschäftsleute mit Melone und Aktentasche vom Himmel regnen lässt.

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Auch hier bei Dalí kann man derart Surrealistisches finden – wie das “Mädchen von Figueres” (Bild über diesem Absatz), in dessen verwirrender, scheinbar jedoch ganz klarer Welt wir eine gewisse Zeit verbringen. Der generelle Eindruck des Theater-Museums bleibt jedoch disneyhaft.

Warum sich das Teatre-Museu Dali trotz gewisser Vorbehalte gelohnt hat

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Ist dieser Blogbeitrag also nicht eigentlich obsolet, sollte man sich den Besuch in Figueres lieber sparen? Nein, das würden wir nicht sagen. Wir haben den Ausflug nicht bereut. Zum einen fahre ich persönlich ziemlich weit für ein Dach mit Rieseneiern. Zum anderen haben wir einzelne Entdeckungen gemacht, die wirklich klasse waren – wie das Mae-West-Zimmer und manche Bilder mit raffinierten optischen Illusionen. Und da das Museum eine solide Best-of-Compilation von Dalí enthält, kann man den Künstler hier wunderbar per Rundumschlag kennenlernen – in Ferienatmosphäre und südlichem Ambiente.

Figueres

In Figueres gibt’s die passende Dalí-Street-Art

Meine Töchter sind nicht die einzigen Kinder einer Reisebloggerin, die in den letzten Monaten bei Dalí in Figueres waren. Der zehnjährige Sohn der Autorin von Family4travel hat auf dem Blog seiner Mutter einen tollen Text über sein Museumserlebnis veröffentlicht. Den zu lesen, war für meine gleichaltrige Tochter sehr inspirierend.

INFO Teatre-Museu Dalí in Figueres:

Figueres liegt etwa eindreiviertel Autostunden nördlich von Barcelona an der Costa Brava. Wir haben einen Mietwagen für die Tour genommen, es gibt aber auch regelmäßige Bahnverbindungen zwischen den beiden Städten.

Das Teatre-Museu Dalí hat saisonal wechselnde Öffnungszeiten, die sich am besten über die Website in Erfahrung bringen lassen. Der Eintrittspreis beträgt 14 Euro, für Kinder unter 8 Jahren ist das Museum kostenlos, Schüler und Studenten zahlen 10 Euro.