Zuletzt aktualisiert am 15. Oktober 2017 um 17:52

Neulich in Barcelona: eine große Buchhandlung mit langen Tischen voller wunderbar illustrierter Kinderbücher. Und zwar nicht nur für Kleine. Spanische Werke ebenso wie Übersetzungen ausländischer Bücher, deren künstlerische Qualität erstklassig ist, von denen man aber auf dem deutschen Markt nichts sieht. Plötzlich halte ich ein Kinderbuch von Japans Star-Künstler Yoshitomo Nara in der Hand: THE LONESOME PUPPY. Gibt’s auf Englisch seit 2008 (bei Chronicle Books). Bei uns? Keine Spur davon!

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Ein cartoonartiger Hund mit sehr kindlichem Gesichtsausdruck, aber so groß, dass keiner ihn erkennen kann – und deshalb ganz schrecklich einsam.

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Bis zu dem Tag, an dem ein kleines Mädchen bemerkt, dass sich hinter den riesigen Pfoten ein Lebewesen verbirgt. Ein typisches Yoshitomo-Nara-Mädchen: süß und ein bisschen grimmig. Kein Wunder, dass es entschlossen genug ist, an den Pfoten hinaufzuklettern:

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Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft – im Manga Style. Mit seiner Version populärer kawaii-Ästhetik, die Kinderzimmercharme mit leicht unberechenbaren, abgründigen Kanten verbindet, ist Yoshitomo Nara zu Weltruhm gelangt.

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Als Kinderbuchkünstler ist einer wie er, dessen Motive meist aus einer kindlichen Welt stammen, die Idealbesetzung. Warum gibt es so ein Buch nicht auf Deutsch? Haben potentielle Verleger Zweifel an der Aufgeschlossenheit des Publikums? Mangas allerdings finden sich in hiesigen Buchhandlungen zuhauf. Passt die kleine, irgendwie unmotiviert scheinende, bösartige Nuance der Cuteness à la Yoshitomo Nara nicht ins deutsche Erziehungskonzept? Mögen wir es seichter? Lehrreicher? Wer weiß! Fakt ist, dass sich nicht nur in spanischen, sondern auch in französischen und sogar in polnischen Buchhandlungen so manche internationale Kinderbücher von hohem ästhetischem Anspruch finden, die es hier nicht gibt.

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