Zuletzt aktualisiert am 15. Oktober 2017 um 17:50

Nein, abstrakte Kunst ist nichts Kompliziertes. Jedes Kindergartenkind kann verstehen, warum einer wilde Bilder aus Zacken, Dreiecken, Kreisen und Schlangenlinien malt. Jedenfalls, wenn man es dem Kindergartenkind so einleuchtend erklärt wie das Buch HERR KANDINSKY WAR EIN MALER von Daan Remmerts de Vries, das bei E.A.Seemanns Bilderbande erschienen ist.

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Der Name klingt gut: E.A.Seemanns Bilderbande. So heißt die Reihe, in der der Verlag Seemann ab diesem Herbst Kunst-Kinderbücher herausgibt: Bilderbücher über Künstler, Kunst-Wimmelbücher und Activity Books. Ein Buch, das den Großmeister der Abstraktion Wassily Kandinsky für Kinder einleuchtend macht, ist ein überzeugender Auftakt für die Reihe.

Der Niederländer Daan Remmerts de Vries hat das Kandinsky-Bilderbuch geschrieben und illustriert. Was wieder einmal vor Augen führt, dass die Niederlande ein echtes Mekka sind, wenn es darum geht, Kindern Kunst- und Designthemen mit Einfallsreichtum und Kreativität nahezubringen.

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Auf die Idee, anders zu malen, als die Wirklichkeit aussieht, kommt der Bilderbuch-Kandinsky, nachdem ihn aus einem seiner Bilder ein blaues Pferd anspringt. Fortan geistert es in seiner Phantasie herum. Für die vorlesenden Erwachsenen ist es Symbol kunsthistorischer Bezüge zu Franz Marc und dem Blauen Reiter, für die zuhörenden Kinder ein besonderes, phantastisches Wesen, das für die Möglichkeit steht, die Dinge so zu sehen und zu malen, wie man sie empfindet.

Immer bunter, abstrakter und wilder werden Kandinskys-Bilder – und Daan Remmerts de Vries beschreibt diese Entwicklung gleichzeitig so einfach und einleuchtend, dass ein Kind ab etwa fünf Jahren davon ebenso etwas hat wie ein Erwachsener, der schon immer wissen wollte, was abstrakte Kunst eigentlich soll: “Von nun an malte Herr Kandinsky andere Bilder, neue Landschaften mit roter und violetter Farbe, mit scharfen und schiefen Kurven, mit auseinanderlaufenden Strichen und komischen kleinen Flecken – Landschaften, die zeigten, was er empfand.”

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Dass Kinder, weil intuitiver und weniger von Konventionen belastet als Erwachsene, die besseren Kreativen seien, ist ein abgedroschener Gedanke, der sowohl Kinder und Erwachsene stark simplifiziert und die mich persönlich nie überzeugen wird. Dass aber Kinder, die selbst viel mit Stift und Pinsel am Werk sind, ein sehr direktes Verständnis für künstlerische Vorgehensweisen entwickeln können, ist eine Erfahrung, die nicht nur ich gemacht habe, und auf die auch HERR KANDINSKY WAR EIN MALER vertraut. Dass Pferde blau und Landschaften seltsam zackig gemalt werden können, wenn man sie selbst so empfindet, leuchtet Kindern ziemlich schnell ein.

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Genauso wie die Idee, Töne malen zu wollen, die für den Synästhetiker Kandinsky zentral war. Daan Remmerts de Vries’ konzentrierte Texte, die immer zugleich erzählen und erklären, bauen eine gute Brücke für das Verständnis.