Zuletzt aktualisiert am 23. September 2021 um 21:07

Alice wird in diesem Jahr 150 – und ist trotzdem nach wie vor siebeneinhalb. Die japanische Künstlerin Yayoi Kusama ist in diesem Jahr 86 geworden – und trägt mit ihren gepunkteten Arbeiten nach wie vor dazu bei, diese Welt ein bisschen mehr zum Wunderland zu machen. Kein Wunder, dass sie eine wunderschöne Ausgabe von ALICE IM WUNDERLAND geschaffen hat (in Englisch; erschienen bei Penguin).

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Natürlich: Wenn Yayoi Kusama ALICE IN WONDERLAND illustriert, dann hat die seltsame Welt, in die das wohlerzogene englische Mädchen nach dem langen Fall durchs Kaninchenloch gerät, Punkte. Bei Yayoi Kusama hat fast alles Punkte; Punkte, die die Grenzen zwischen den Dingen auflösen und den Betrachter in einen psychedelischen Entgrenzungsmodus versetzen können.

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Was im Grunde die perfekte Methode ist, Lewis Carrolls Kinderbuchklassiker zu illustrieren. Immerhin ist das ganze Wunderland ein psychedelisches Universum, in dem weder Alice noch der Leser weiß, wissen soll und im Falle des Lesers schließlich auch gar nicht mehr so genau wissen will, was was ist. Hin und wieder probiert Alice von einem Drink-me-Trank oder einem Magic Mushroom, aber auch Leser, denen diese Genüsse verwehrt bleiben. geraten immer tiefer hinien in eine glückliche Verwirrung.

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Yayoi Kusamas Punkte und All-over-Muster sind dabei die idealen visuellen Hilfsmittel. Es ist weithin bekannt und wird von der Künstlerin gern kolportiert, dass sie seit ihrer Kindheit an Halluzinationen leidet. Bei ihrer ersten solchen Halluzination lösten sich die Dinge vor ihrem Auge in rote Blumen auf – was schön klingt, für das japanische Mädchen aber furchterregend war. Solche Erfahrungen spielen gewiss eine Rolle für Kusamas Schaffen, reichen aber als eindimensionales Erklärungsmodell ihrer Punktekunst nicht aus.

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Alice im Punkteland verstehen wir jedenfalls problemlos und völlig ohne psychologisierende Erklärungsmodelle. Und wenn das Grinsen der Grinsekatze ein bisschen mehr an die Rocky Horror Picture Show erinnert als an das viktorianische Zeitalter: never mind. Das Buch feiert in diesem Jahr zwar seinen 150. Geburtstag, hält in Sachen Coolness aber jedem Pop-Zeitalter stand.

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Außer Punkten spielen Netzstrukturen eine Rolle – für die Alice-Illustrationen und für Kusamas Kunst überhaupt. Wie die Punkte breiten sie sich über alles und nach allen Seiten aus; ohne Punkt und Komma gestaltet, suggerieren sie in vielen Kusama-Werken Endlosigkeit.

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Für ALICE IN WONDERLAND hat Yayoi Kusama ihre üblichen Erkennungszeichen etwas anders eingesetzt als sonst; Hier dienen Punkte und Netze gerne der Dekoration oder auch als Strukturen, die ein Motiv plastisch machen – wie im Falle der beiden benetzten Seepferdchen oder der punktebesetzten Erdbeeren. Wunderlandmäßig sinnenverwirrend bleibt die getupfte Torte für die Mad Hatter’s Tea Party dennoch.

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“Alice in Wonderland” mit Illustrationen von Yayoi Kusama kaufen:

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